Die vergessenen Kinder
Projekt „Schulterschluss“will Mädchen und Buben erreichen, deren Eltern suchtkrank sind. Dabei sind Jugend- und Suchthilfe gefragt
Landkreis Sie werden „die vergessenen Kinder“genannt: Mädchen und Buben, deren Eltern suchtkrank sind, die zusehen müssen, wie Angehörige sich in erster Linie um Vater oder Mutter kümmern. Kinder, die wenig Aufmerksamkeit erhalten und in ständiger Sorge um ihre Eltern leben. Ihnen zu helfen, ist nicht leicht, schlichtweg, weil die Hilfe sie nicht erreicht. Im Landkreis sollen jetzt Jugendhilfe und Suchthilfe gemeinsam handeln. Das Projekt, das die Kommunikation verbessern soll, nennt sich „Schulterschluss“.
Isabella Wege vom Amt für Jugend und Familie stellte das Projekt in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses des Kreistags vor. Kinder suchtkranker Eltern seien selbst höchst gefährdet, später einmal suchtkrank zu werden. Rund ein Drittel würden selbst abhängig, etwa gleichviele hätten mit psychischen Störungen zu kämpfen. Die betroffenen Kinder hätten ein geringes Selbstbewusstsein, litten unter Schamgefühlen und Versagensängsten. Die Schule wird für sie zur Qual, sie schwänzen den Unterricht, kommen zu spät, auch weil sie sich zu Hause um den suchtkranken Vater oder Mutter kümmern.
„Diese Kinder brauchen eine Vertrauensperson außerhalb des elterlichen Umfelds“, sagt Isabella Wege. Zuwendung, Ermutigung und die Einsicht, dass die Eltern an einer Krankheit leiden, seien ebenso wichtig. Im Landkreis gibt es bereits ein Projekt, das sich dieser Mädchen und Buben annimmt. Das Gruppenangebot „Schatzsucher“der Caritas Suchtberatungs- und Behandlungsstelle Landsberg sowie der SOS-Sozialpädagogischen Familien- und Jugendhilfe Landsberg richtet sich an Kinder, die ihre eigenen Fähigkeiten, ihren Wert und ihre Schätze aufspüren wollen. Sie sollen in der Gruppe ihren Horizont erweitern, Lebensfreude erleben und gestärkt werden.
Doch es ist schwierig, präventiv oder helfend tätig zu werden. Suchtkranke Eltern erkennen die Probleme ihrer Kinder nicht, das Umfeld ist meist damit beschäftigt, dem Suchtkranken zu helfen. Die Kinder werden vergessen. Umso wichtiger ist es nach Ansicht der Initiatoren des Projekts in Bayern, dass Jugendhilfe und Suchthilfe sich vernetzen und eine Kooperation eingehen. Als Vorbild gilt das gleichnamige Projekt, das in Baden-Württemberg entwickelt und durchgeführt wurde. In Bayern setzen es Gesundheitsund Sozialministerium um. Sie bieten regionale Seminare an, bei denen die Teilnehmer unter anderem lernen sollen, suchtbelastete Familien früher zu erkennen. Mitte März findet ein zweitägiges Seminar im Landratsamt statt.
Wie Isabella Wege in der Sitzung sagte, war das Interesse an „Schulterschuss“in Bayern groß. „Ich bin froh, dass wir heuer noch einen Termin erhalten haben.“Dazu eingeladen hat sie beratende und behandelnde Einrichtungen im Landkreis. Sie alle wollen den vergessenen Kindern helfen.