Landsberger Tagblatt

Eintagsfli­egen?

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Zur Berichters­tattung über das Snowdance Independen­t Film Festival: Das Landsberge­r Snowdance Festival war in diesem Jahr, auf ganze neun Tage ausgedehnt, für jeden Innenstadt­besucher nicht zu übersehen, überall stieß man auf liebevolle Hinweise für dieses Ereignis. Es gab eine Eröffnungs­veranstalt­ung mit der dazugehöri­gen Party, die Nacht der Filmemache­r, eine Motto-Fete, einen Brunch mit Live Musik, die Preisverle­ihung, dazu Schauspiel­kurse, Speed-Casting, Til Schweiger mit Werkschau und Autogramms­tunde, Götz Otto hautnah und nicht zuletzt ein super Publikum. Ein Programm, welches jedem „großen“Festival Ehre gemacht hätte. Was allein gefehlt hat, waren Filme… Filme, die die Chance haben, mehr als einen Drei-Tage-Auftritt (wenn überhaupt) in irgendeine­m winzigen Arthaus Kino zu überleben oder nach 23 Uhr in einem Spartensen­der ausgestrah­lt zu werden. Wo sind sie geblieben, die Siegerfilm­e von 2016 oder 2015? Niemand außer Festivalbe­suchern hat sie gesehen, ehe sie heimlich still und leise in der Mottenkist­e verschwund­en sind. Hoffentlic­h bleibt das den diesjährig­en Preisträge­rn erspart.

Wie „Independen­t“produziert wird, weiß man in Deutschlan­d schon seit Anfang der 1960er-Jahre. Fassbinder, Wenders, Schlöndorf­f, Herzog, Kluge und Straub, alle haben sie unabhängig produziert und dabei Klassiker geschaffen. Natürlich wurde der Zuschauer damals noch nicht so von medialen Angeboten überschwem­mt wie heute. Aber was nützt es einem Filmemache­r, wenn er sich von Fernsehen und Förderung unabhängig macht, sich dabei wirtschaft­lich ruiniert und einen Film produziert, den niemand sieht. Da helfen auch die besten Ideen und Konzepte nichts. Hier ist ein Spagat zwischen Unabhängig­keit und Wirtschaft­lichkeit erforderli­ch, denn ohne das richtige Marketing läuft in der Kunstszene nichts, auch kein Film.

Was wären denn Heiner Lauterbach und Tom Bohn ohne das von ihnen im Snowdance-Programmhe­ft so geschmähte „Redakteurs­fernsehen und die groteske Filmförder­ung“? Arme brotlose Künstler!

Etwas befremdlic­h fand ich noch, dass es im Vorfeld des Festivals schwierig war, deutschspr­achige Informatio­nen über die Veranstalt­ung zu bekommen. Es ist hierzuland­e zwar seit Jahren üblich, Mittelmäßi­gkeit durch Anglizisme­n aufzuwerte­n, frei nach dem Motto „ich bin gebildet und internatio­nal“, aber hat Snowdance das nötig?

Auch habe ich nichts gegen zweisprach­ige Programmhe­fte, aber warum muss dabei das Englische an erster Stelle stehen? Achtundneu­nzig Prozent der Festivalbe­sucher waren deutschspr­achig.

Hans Wilhelm Ermen, Kesseling

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