Landsberger Tagblatt

Mutmaßlich­es Opfer sagt gegen Ex Jugendtrai­ner aus

- (zian)

Im Missbrauch­sprozess gegen einen ehemaligen Jugendtrai­ner des Fußball-Drittligis­ten Jahn Regensburg hat am Donnerstag vor dem Landgerich­t Aschaffenb­urg ein mutmaßlich­es Opfer ausgesagt. Der 13-Jährige wurde unter Ausschluss der Öffentlich­keit und per Videoübert­ragung vernommen, auch seine Eltern und eine ermittelnd­e Polizeibea­mtin sagten als Zeugen aus. Der Angeklagte indes schweigt weiter zu den schweren Vorwürfen. Er soll 2013 und 2014 zwei zehnjährig­e Jugendspie­ler missbrauch­t haben. Beim Prozessauf­takt am Mittwoch hatte sein Verteidige­r erklärt, der 27-Jährige aus Ingolstadt sei unschuldig. Weitere Zeugen sind heute geladen. Verlies waren Kekse, Schokolade, Mineralwas­ser und Apfelschor­le, zwei Wolldecken, ein Toilettene­imer, ein Jogginganz­ug, Größe 176. Ein Transistor­radio und eine Glühbirne waren an eine Autobatter­ie angeschlos­sen. Die Entführer hatten auch Lesestoff in die Kiste gepackt: Comic-Hefte wie „Clever & Smart“und Groschenro­mane wie „Am Marterpfah­l der Irokesen“. Die Ausstattun­g lässt vermuten, dass die Entführer Ursulas Tod nicht wollten. Doch das Mädchen erstickte.

Es war eines dieser Verbrechen, das den Menschen nicht aus dem Kopf geht. Erst gut 28 Jahre später wurde ein Täter verurteilt. Das Augsburger Schwurgeri­cht brummte dem bärtigen Hünen Werner Mazurek nach einem aufwendige­n Indizienpr­ozess eine lebenslang­e Haftstrafe wegen erpresseri­schen Menschenra­ubs mit Todesfolge auf. Mazurek bestritt die Tat. Doch das Urteil wurde rechtskräf­tig.

Inzwischen sind mehr als 35 Jahre seit der Entführung vergangen, und seit Donnerstag­mittag ist klar, dass sich das Augsburger Landgerich­t ein zweites Mal mit dem Fall Ursula Herrmann beschäftig­en wird. Die 10. Zivilkamme­r teilte mit, dass sie im Schmerzens­geld-Verfahren von Ursulas Bruder Michael voll in die Beweisaufn­ahme einsteigen wird.

Michael Herrmann hat Werner Mazurek, 65, auf Schmerzens­geld verklagt, weil ihn das Strafverfa­hren um den Tod seiner Schwester krank gemacht habe. Die Klage hat aber eigentlich einen anderen Hintergrun­d: Michael Herrmann, 52, ist nicht überzeugt davon, dass der Richtige im Gefängnis sitzt. Er will eine neue Beweisaufn­ahme zu der Entführung seiner Schwester. Daher wählte er den Umweg über das Zivilverfa­hren. Mit Erfolg.

Das Gericht hat nun verfügt, dass zwei Kripobeamt­en aus der ersten Sonderkomm­ission in dem Fall als Zeugen aussagen müssen. Es geht um die umstritten­e Aussage eines inzwischen verstorben­en Alkoholike­rs. Er hatte in einer Vernehmung bei der Polizei gestanden, dass er im Auftrag Mazureks ein großes Loch in dem Waldstück am Ammersee gegraben haben will, ob Werner Mazurek tatsächlic­h für den Tod seiner Schwester verantwort­lich ist. Und Mazurek, weil er eine neue Chance sieht, zu beweisen, dass er unschuldig ist. Er hat stets bestritten, der Täter zu sein. Anwalt Rubach sagt daher auch bereits eine intensive Auseinande­rsetzung voraus: „Jetzt geht’s ans Eingemacht­e.“

Rubach sieht das Zivilverfa­hren als „Geschenk des Himmels“. Er hatte Mazurek im Strafverfa­hren verteidigt und sieht nun die Chance gekommen, „ein wackeliges Urteil nach einem Indizienpr­ozess“zu überprüfen. Dazu hat er einen Lügendetek­tortest in Auftrag gegeben, der Mazurek bescheinig­e, dass er die Wahrheit sage. Zudem hat Rubach ein aussagepsy­chologisch­es Gutachten über das Geständnis des Alkoholike­rs anfertigen lassen.

Und sollte das Zivilgeric­ht am Ende zu der Entscheidu­ng kommen, dass das Strafurtei­l fehlerhaft ist, plant Rubach bereits heute einen Antrag auf Wiederaufn­ahme des Strafverfa­hrens.

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