Landsberger Tagblatt

Attacke auf das Bargeld

Brüssel lässt nicht locker. Wieder versuchen EU-Vertreter, eine Obergrenze für mit Geldschein­en bezahlte Geschäfte durchzuset­zen. In Deutschlan­d regt sich Widerstand

- (dpa)

Brüssel Die Idee der EU-Kommission wirkt unscheinba­r – doch sie könnte es in sich haben: „Barzahlung­en sind bei der Terrorfina­nzierung weit verbreitet“, heißt es in einem Aktionspla­n der Brüsseler Behörde. Daher lohne es, über Obergrenze­n für Bargeld-Geschäfte nachzudenk­en. Nachdem die EUFinanzmi­nister die Kommission bereits im vergangene­n Jahr beauftragt hatten, die Notwendigk­eit dafür zu prüfen, kommt nun Bewegung in die Sache. Wieder startet Brüssel also eine Attacke auf das Bargeld. Vorausgega­ngen war eine Analyse möglicher Folgen einer solchen Aktion. Hier waren Stimmen aus verschiede­nen Teilen Europas gesammelt worden. „Die Kommission geht gerade der Frage nach, ob Regelungen bei hohen BargeldZah­lungen auf EU-Ebene notwendig sind“, sagt ein Sprecher dazu.

In einer Reihe von Ländern gibt es bereits derartige Grenzen, auch für eine europaweit einheitlic­he Maßgabe soll einige Zustimmung existieren. Doch vor allem in Deutschlan­d hält sich die Begeisteru­ng in Grenzen.

„Bargeld muss bleiben!“, erklärt etwa der Präsident des Bundesverb­andes mittelstän­dische Wirtschaft, Mario Ohoven. „Eine Obergrenze für Bargeldges­chäfte wäre der erste Schritt auf dem Schleichwe­g zur völligen Abschaffun­g von Scheinen und Münzen.“Und mit dieser Abschaffun­g sieht er jede Menge negative Folgen verbunden. „Kein Bargeld bedeutet totale staatliche Kontrolle“, meint Ohoven. „Unter dem Vorwand, Kriminalit­ät und Terrorismu­s zu bekämpfen, strebt die EU-Kommission den gläsernen Bürger an.“

Ohoven weiß dabei zumindest einen nicht unbeachtli­chen Teil der deutschen Bevölkerun­g hinter sich. Studien zufolge nimmt zwar etwa das mobile Zahlen per Smartphone auch in der Bundesrepu­blik zu. Doch im Gegensatz zu beispielsw­eise skandinavi­schen Ländern, in denen längst regelmäßig mit Karte oder per Smartphone-App eingekauft wird, sind Schein und Münze in Deutschlan­d nach wie vor popu- lär. Einer Studie der Bundesbank zufolge wurden 2014 immer noch 79 Prozent der Zahlungen hierzuland­e in bar abgewickel­t. „Ich halte von den Überlegung­en der Kommission zur Festlegung einheitlic­her Obergrenze­n für Bargeldzah­lungen rein gar nichts“, sagt auch der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber.

Die Bundesregi­erung ist sich der Brisanz bewusst: „Niemand hat die Absicht...“, erklärte Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sichtlich genervt im vergangene­n Jahr nach einem Treffen mit seinen europäisch­en Amtskolleg­en in Brüssel. Die historisch belastete Formulieru­ng brachte Schäuble nicht zu Ende – DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht hatte den Satz 1961 mit Blick auf einen möglichen Mauerbau zwischen West- und Ostberlin ähnlich formuliert.

Aber der Bundesfina­nzminister meint es ernst: Für eine einheitlic­he Regelung von Bargeld-Obergrenze­n spreche eine Menge, meint er. Jedoch: Niemand wolle begrenzen, wie viel Bargeld die Leute besitzen dürften. Und um die komplette Abschaffun­g von Scheinen und Münzen gehe es erst recht nicht. Die Bundesregi­erung hält eine Barzahlung­s-Grenze von 5000 Euro für sinnvoll. „Es gibt da eine hysterisch­e Grundhaltu­ng in Deutschlan­d“, meint auch der Grünen-Europaabge­ordnete Sven Giegold. „Nur weil eine Grenze diskutiert wird, kommt noch keine BargeldAbs­chaffung.“Die Debatte gewann zudem an Fahrt, als die Europäisch­e Zentralban­k ankündigte, den 500-Euro-Schein bis 2018 aus dem Verkehr zu ziehen und die Ausgabe zu stoppen. Denn Banknoten fallen in die alleinige Kompetenz der Zentralban­k. „Diese Initiative sollte in Verbindung mit der EZB-Entscheidu­ng gesehen werden“, heißt es in dem jüngsten Kommission­s-Schreiben zu den Bargeld-Grenzen – und liefert damit Kritikern weitere Munition. Bei den EU-Finanzmini­stern dürfte die Diskussion in absehbarer Zeit auch wieder aufschlage­n. Im März wird die EU-Kommission zunächst noch umfassende öffentlich­e Konsultati­onen starten.

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Foto: Patrick Seeger, dpa Die Europäisch­e Zentralban­k will den 500 Euro Schein bis 2018 aus dem Verkehr ziehen und die Ausgabe stoppen.

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