Landsberger Tagblatt

Der Horror der reinen Seelen

Gore Verbinsky kehrt mit dem Mystery-Thriller zu seinen Wurzeln zurück. Das Grauenhaft­este an der Story in schönster Schweizer Kulisse macht aber der Regisseur selbst

- VON MARTIN SCHWICKERT Foto: 20th Century Fox

Mit drei „Fluch der Karibik“-Folgen hat sich Regisseur Gore Verbinsky in Hollywood seine Blockbuste­r-Sporen verdient. Aber wer sich den glitschig, schaurig, modrigen Charme des Geistersch­iffes und seiner halb verwesten Mannschaft noch einmal vor Augen führt, kann auch in diesem Mainstream-Produkt unschwer den Liebhaber des Horrorfilm­es erkennen. Mit dem Genrewerk „The Ring“vom Jahr 2002 hatte sich Verbinsky zuvor einen Namen gemacht und nun kehrt er mit dem Mystery-Thriller „A Cure for Wellness“zu seinen cineastisc­hen Wurzeln zurück.

Vielleicht kann man sich den Film als versuchte Mischung zwischen „Der Zauberberg“und „Shining“vorstellen. Jedenfalls liest der medizinisc­h-technische Assistent, während der Patient im Unterwasse­rbad blubbert, Thomas Manns Roman eines endlosen Sanatorium­saufenthal­ts – und eine zünftige Badewannen-Albtraum-Szene gibt es auch.

Aus den kaltgrauen Chefetagen einer kriselnden New Yorker Investment-Firma wird der junge ehrgeizige Lockhart (Dane DeHaan) in die Schweizer Alpen geschickt, wo- hin sich ein Firmenteil­haber zur Kur geflüchtet hat. Die Straße windet sich malerisch am Abgrund entlang hoch auf den Berggipfel, wo ein Schloss mit weitverzwe­igten Nebengelas­sen eine Wellness-Klinik beherbergt. Der Ort ist für seine Heilquelle­n ebenso bekannt wie für düstere Geschichte­n um einen Grafen, der vor zweihunder­t Jahren sein inzüchtige­s Unwesen trieb.

Die Patienten spielen im begrünten Innenhof Federball und wandeln Seit Professor Frankenste­in, der aus Leichentei­len ein Monster erschuf, ist der „Mad Professor“eine feste Fi gur. Der Roman von Mary Shelley erschien 1818. Mit ihm begann das Genre des Grusel Romans (Gothic Novel), oft eine Form negativer Zu kunftsscha­u. Vor allem das Kino brachte dann eine Reihe exzentri scher Forscher hervor, etwa Rot wang („Metropolis“), Dr. Jekyll, Dr. Arden („American Horror Story: Asylum“), Doctor Gordon („Saw“), Lex Luthor („Superman“), Dr. Al phonse Mephesto („South Park“), Dr. Henry Wu („Jurassic Park“). (loi) allesamt in weißen Bademäntel­n über den Klinik-Campus. Schließlic­h haben sich das Unternehme­n und dessen charismati­scher Leiter (Jason Isaacs) die seelische und körperlich­e Reinigung ihrer zivilisati­onsverseuc­hten Patienten ins esoterisch­e Heilkonzep­t geschriebe­n. „Purity before Wellness“steht auf einem Messingsch­ild im Büro des Anstaltsle­iters – eines von zahllosen Warnsignal­en, die dem Publikum vor die Nase gehalten und vom Protagonis­ten ausführlic­h ignoriert werden.

Eine Weile lang mag es sich ja gut anfühlen, schlauer als der Held des Filmes zu sein. Aber spätestens nach einer halben Stunde nerven die überdeutli­chen Zeichen, mit denen hier herannahen­des Unheil angekündig­t wird. Als Lockhart nach nahezu zwei Kinostunde­n den Patienten im Speisesaal zuruft: „Es ist das Wasser, das euch krank macht!“, teilt er eine Erkenntnis mit, die dem Publikum mit unzähligen Großaufnah­men auf stets gefüllte Wassergläs­er und mehrfachen ärztlichen Aufforderu­ngen („Immer schön viel Wasser trinken“) schon eine gefühlte Ewigkeit lang aufgedräng­t wurde.

Unfassbare 146 Filmminute­n lässt sich Verbinski Zeit mit der Ver- und Enträtselu­ng seines kruden, aber im Grunde recht übersichtl­ichen MadScienti­st-Plots. Auch wenn man eine Stunde rausschnei­den würde, hätte der Film immer noch Längen. Selbst ein interessan­tes Gesicht, wie

Typ verrückter Professor 9,2 Millionen Euro gab die deutsche Filmförder­ung

das von Dane DeHaan, der in „The Amazing Spider-Man“einen ernst zu nehmenden Gegenspiel­er abgegeben hat, verbraucht sich, wenn ein Schauspiel­er so ausdauernd auf den Hund kommen muss.

Natürlich sieht das Ganze klasse aus. Ein paar Luftaufnah­men aus den Schweizer Bergen und die Hohenzolle­rnburg in Bisingen geben eine prachtvoll­e Kulisse ab. Geld für Ausstattun­g, weiße Kochwäsche und die Begleichun­g der Wasserrech­nung war in dieser deutschame­rikanische­n Produktion auch dank hiesiger Filmförder­ung offensicht­lich genug vorhanden. Es gab märchenhaf­te 9,2 Millionen Euro Fördergeld. Kaum auszudenke­n, wie viele hübsche B-Movies man davon hätte drehen können. **

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Gemeinsam lüften sie das Geheimnis um das mysteriöse Bergsanato­rium: Hannah (Mia Goth Hannah) und Mr. Lockhart (Dane DeHaan).

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