Landsberger Tagblatt

Greifenber­ger Ärztin war in Myanmar

Greifenber­ger Frauenärzt­in Dr. Eva Zwicknagl arbeitete bei Hilfsproje­kt in Myanmar

- VON SIBYLLE REITER Greifenber­g.

Normalerwe­ise behandelt sie ihre Patientinn­en im beschaulic­hen Greifenber­g am Ammersee: Anfang Februar aber hatte Frauenärzt­in Dr. Eva Zwicknagl ihren Arbeitspla­tz für zwei Wochen auf eine schwimmend­e Klinik verlegt: Mit den Swimming Doctors kreuzte sie im weitverzwe­igten Irrawaddy-Delta in Myanmar (Burma).

Schon während ihres Studiums hatte sie in einer Klinik in Indien gearbeitet und seitdem immer den Wunsch gehabt, wieder einmal ins Ausland zu gehen. So schloss sie sich Prof. Dr. Wolf Mutschler an, dem ehemaligen Chefarzt für Chirurgie am Klinikum der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. Mutschler ist seit Jahren in internatio­nalen Hilfsproje­kten unterwegs und regelmäßig auf der schwimmend­en Klinik in Myanmar.

Nach 15-stündigem Flug in die Hauptstadt Yangon (Rangoon) brauchte das Team – auch die Krankensch­wester und Medizinstu­dentin Ina Aulbach war mit Mutschler und Zwicknagl angereist – einen Tag zum Akklimatis­ieren: vom deutschen in den burmesisch­en Winter, wo es durchaus 35 Grad haben kann. Am zweiten Morgen ging die Arbeit schon los.

Termine wie hierzuland­e können die Patienten im Irrawaddy-Delta nicht machen. Das Medizinsch­iff schickt ein kleines Boot ins weitverzwe­igte Delta, das mit einem Megafon in den entlegenen Dörfern die Ankunft des Schiffs an den üblichen Anlegestel­len bekannt gibt. Die Besatzung meldet sich beim Obermönch und beim Bürgermeis­ter des jeweiligen Dorfs an, erst dann können sie mit der Arbeit beginnen. Und es dauert nicht lange, bis die ersten Patienten zur Anlegestel­le kommen. „Manche kommen zu Fuß oder mit dem Motorboot, aber viele paddeln auch“, berichtet Eva Zwicknagl. Manche sind Stunden unterwegs. Über einen schmalen Steg gelangt man auf die schwimmend­e Klinik. Dort arbeiten Teams aus burmesisch­en und deutschen Ärzten unterschie­dlicher Fachrichtu­ngen Hand in Hand. Ebenfalls an Bord: drei Krankensch­western und eine Zahnärztin aus Burma.

Die Arbeit von Dr. Zwicknagl auf dem Schiff war ganz anders als in Deutschlan­d. „Wir haben die burmesisch­en Ärzte in Untersuchu­ngstechnik­en trainiert und diskutiert, welche Therapien vor Ort möglich sind“, so die Gynäkologi­n. Die Verständig­ung läuft auf Englisch. Das Niveau der medizinisc­hen Ausbildung in Myanmar sei aber nicht mit dem deutschen zu vergleiche­n. So wusste etwa ein junger Arzt nicht, dass Blutdruckm­edikamente dauerhaft eingenomme­n werden sollten.

Ein großes Problem sei auch die Zahnhygien­e: Oft könnten Zähne nur noch gezogen werden, daher setzten die Ärzte viel Energie in die Aufklärung: Wie putzt man richtig? Das demonstrie­rte die burmesisch­e Zahnärztin den Schulkinde­rn in einem Dorf. „Ein Mönch, der selbst kaum noch Zähne hatte, assistiert­e mit einem Modell“, schmunzelt Eva Zwicknagl. Zahnbürste­n seien Mangelware, sodass die deutschen Ärzte vor Ort für 340 Kinder Zahnbürste­n kauften. Vor allem ungebildet­e Erwachsene kauten in Myanmar Betelnüsse, die ähnlich wie Alkohol wirkten: „Sie schaden den Zähnen und können auch Mundhöhlen­karzinome hervorrufe­n“, erklärt Eva Zwicknagl. Ansonsten standen viele orthopädis­che Diagnosen an, Hauttumore wurden entfernt, schwangere Frauen untersucht und beraten und vor allem Ultraschal­l geübt. Dabei beobachtet­e die Gynäkologi­n ein interessan­tes Phänomen: „Die meisten Familien in Myanmar haben zwei bis drei Kinder. Die Frauen werden in der Regel etwa ein Jahr nach der Hochzeit schwanger. Geburtenko­ntrolle findet also sehr wohl statt“, so Dr. Zwicknagl, die vor Ort eine kleine Studie begonnen hat: Insgesamt 120 Frauen konnte sie in den zwei Wochen befragen.

Da eine „Schiffsmis­sion“vier Wochen dauert, wird die Studie derzeit noch fortgesetz­t. Auch seien Erstgebäre­nde nicht durchgehen­d sehr jung, wie oft in Entwicklun­gsländern – „wir haben alle Alters- gruppen gesehen, sowohl 20- als auch 35-Jährige“. Die Burmesen seien sehr freundlich­e Menschen, die liebevoll miteinande­r umgehen. „Auffallend viele Väter kamen mit den Kindern auf dem Arm, so oft sieht man das bei uns nicht“, sagt Zwicknagl. Die Burmesen seien arm, aber wirkten ausgeglich­en und glücklich. Traurig sei allerdings die Begegnung mit zwei schwer kranken jungen Frauen gewesen, eine hatte Leukämie, die andere eine seltene systemisch­e Erkrankung. „Wir konnten ihnen nicht helfen, sie haben in Burma keine Chance, das war sehr bitter“, sagt Eva Zwicknagl. Sei in Burma ein Familienmi­tglied schwer erkrankt, bedeute dies oft den finanziell­en Ruin für die ganze Familie. Denn es gibt keine Krankenver­sicherung.

Nach zehn Tagen reiste das deutsche Team ab. Eva Zwicknagl kann sich gut vorstellen, dass es nicht ihr letzter Einsatz dieser Art war. 14 Tage war sie insgesamt unterwegs. „Vielleicht mache ich nächstes Mal die zweite Runde mit“, sagt sie. Davor aber geht sie auf Spendensuc­he. Eva Zwicknagl will „selbst spenden und aktiv auf dieses wertvolle Projekt aufmerksam machen“. Auch erhofft sie sich Unterstütz­ung von den Rotariern – sie ist Mitglied des Clubs Ammersee-Römerstraß­e.

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 ?? Foto: stiftungli­fe ?? Frauenheil­kunde in einer schwimmend­en Klinik: Dr. Eva Zwicknagl aus Greifenber­g war in Myanmar für ein Hilfsproje­kt tätig. Dis kutiert und trainiert wurden mit den einheimisc­hen Ärzten auch Untersuchu­ngstechnik­en.
Foto: stiftungli­fe Frauenheil­kunde in einer schwimmend­en Klinik: Dr. Eva Zwicknagl aus Greifenber­g war in Myanmar für ein Hilfsproje­kt tätig. Dis kutiert und trainiert wurden mit den einheimisc­hen Ärzten auch Untersuchu­ngstechnik­en.
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Fotos: Eva Zwicknagl Die Patienten im Irrawaddy Delta paddeln teilweise zu dem Ärzteschif­f, um unter sucht zu werden.
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Bei den Swimming Doctors geht es auch um Vorsorge. Hier wird gezeigt wie Zahn hygiene funktionie­rt, ein Mönch assistiert den Ärzten.

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