Dießener hilft vor Libyens Küste
Hans Rieß senior beteiligt sich an Hilfsaktion im Mittelmeer. Achtköpfige Crew sichert Flüchtlingsboote
Kinderleichen, die an Strände gespült werden, Menschen, die mehr tot als lebendig auf überfüllten Schlauchbooten zusammengedrängt sind: Jeder kennt die Bilder der menschlichen Dramen, die sich im Zuge der Flüchtlingsbewegung im Mittelmeer abspielen. Auch Hans Rieß senior aus Dießen saß vor einigen Monaten vor dem Fernseher und sah einen Bericht über die Flüchtlinge, die im Meer zu ertrinken drohen – und Hilfsorganisationen, die Menschenleben retten.
„Da kannst eigentlich auch mitmachen“, sagte sich der Hochseesegler, der als Feuerwehrmann und Wasserwachtsmitglied auch Erfahrung mit der Personenrettung aus dem Wasser hat. Er suchte im Internet und stieß auf die Organisation Sea-Eye, „die einzige in Bayern, der Sitz ist in Regensburg“. Rieß fuhr nach Regensburg zu einem Stammtisch der Helfer und hat sich die Sache erst einmal angesehen. Und ihm gefiel, was er da sah. Aus unterschiedlichen politischen Richtungen seien die ehrenamtlichen Helfer, es gehe ihnen um die Sache. Zum Teil seien es Segler, die nach Rieß’ Darstellung auch ein Segler-Ethos umtreibt: „Man darf nicht jemand jämmerlich ertrinken lassen.“
Also startet Rieß nun dieser Tage Richtung Licata auf Sizilien, um die kommenden zwei Wochen an einer Mission der Sea Eye teilzunehmen. Am 6. März geht es dort los, zwei Wochen mit acht Leuten auf einem Schiff: Kapitän, zwei Mann Brückenwache, Maschinist, Arzt und Rettungsteam. Der 62-jährige Dießener wird die Brückenwache übernehmen, „es ist eine Vier-Stunden- rund um die Uhr.“Ein Crew-Treffen habe Anfang des Jahres stattgefunden.
Die Sea-Eye-Crew schippert auf einem 26 Meter langen ehemaligen Fischkutter aus Rostock durch internationale Gewässer vor der Küste Libyens. „Es ist ein riesiges Seegebiet von 300 Kilometern in der Breite, in dem mehrere Hilfsorganisationen unterwegs sind“, erzählt Rieß. Die Flüchtigen werden nur in einem Notfall an Bord genommen, Aufgabe der Helfer ist es, die Flüchtlingsboote zu sichern, mit Rettungsinseln zu entlasten und die Seenotleitstelle Mittelmeer zu alarmieren, die dann weitere Schritte einleitet. „Die Sea-Eye hat 800 Rettungswesten an Bord“´, erzählt Rieß. Es werde auch Trinkwasser ausgeteilt. Zu den Flüchtlingsbooten fahre man mit einem Schlauchboot, denn wenn der Kutter sich nähere, bestehe die Gefahr, dass die Menschen versuchten, auf dieses Schiff zu gelangen. Bei solchen Aktionen könnten Flüchtlingsboote kentern.
Die gemeinnützige Organisation „Sea-Eye e.V.“wurde im Herbst 2015 von dem Unternehmer Michael Buschheuer, sowie Familie und Freunden gegründet, um schiffbrüchige Flüchtlinge auf ihrer gefährlichen Flucht nach Europa zu retten, wie auch der Homepage der Organisation zu entnehmen ist: „Das hochseetaugliche Schiff wurde für den Zweck der Seenotrettung umgerüstet und ging am 22. Februar 2016 auf Fahrt ins Mittelmeer.“Im vergangenen Jahr habe die Sea-Eye 5568 Menschen aus Seenot gerettet.
Auch wenn es den Helfern um Menschlichkeit geht, dass heißt nicht sehenden Auges Menschen ertrinken zu lassen, lässt sich die Poli- tik nicht außen vor halten: Der Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggerie, hatte diese Woche in einem Interview kritisiert, dass die Einsätze von Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“, „Sea Watch“oder „SeaEye“dazu führten, dass Schleuser noch mehr Flüchtlinge auf seeuntüchtigen Booten losschickten.
Die Organisationen verweisen darauf, dass mit oben genannter Begründung 2015 die Marineoperation „Mare Nostrum“eingestellt worden sei. Daraufhin seien tausende Menschen ertrunken, und als Reaktion seien Sea-Watch, Sea-Eye, Ärzte ohne Grenzen und andere mit privaten Schiffen den Menschen zu Hilfe gekommen. Auch Michael Buschheuer weist die Kritik zurück, bietet aber auch an, Frontex zu unterstützen, wenn es darum geht, Schleusertätigkeiten aufzudecken, wie auf der Homepage zu lesen ist.
Sea-Eye ist wie andere derartige Organisationen auf Spenden angewiesen, auch wenn die Helfer kostenlos arbeiten. Denn es entstehen Kosten etwa für den Betrieb des Schiffs, die Verpflegung der Mannschaft dort, medizinische Geräte und Elektronik – laut Pressemitteilung heuer voraussichtlich rund 250000 Euro. Auch in der Metzgerei Rieß in Dießen war vor Weihnachten eine Spendenbox aufgestellt, die wieder dort platziert werden soll. Rieß zahlt die Reise nach Sizilien selbst, die Verpflegung wird gestellt. „Ich nehm’ mir aber Geräuchertes mit“, sagt der Metzgermeister. Was ihn vor der libyschen Küste erwartet, weiß er nicht, auch nicht, wie es ist, mit dem Leid der Menschen konfrontiert zu sein. Es könne aber auch passieren, dass zwei WoWache, chen lang gar nichts passiert. „Wenn auflandiger Wind ist, können die Boote in Libyen nicht starten.“