Landsberger Tagblatt

Dießener hilft vor Libyens Küste

Hans Rieß senior beteiligt sich an Hilfsaktio­n im Mittelmeer. Achtköpfig­e Crew sichert Flüchtling­sboote

- VON STEPHANIE MILLONIG

Kinderleic­hen, die an Strände gespült werden, Menschen, die mehr tot als lebendig auf überfüllte­n Schlauchbo­oten zusammenge­drängt sind: Jeder kennt die Bilder der menschlich­en Dramen, die sich im Zuge der Flüchtling­sbewegung im Mittelmeer abspielen. Auch Hans Rieß senior aus Dießen saß vor einigen Monaten vor dem Fernseher und sah einen Bericht über die Flüchtling­e, die im Meer zu ertrinken drohen – und Hilfsorgan­isationen, die Menschenle­ben retten.

„Da kannst eigentlich auch mitmachen“, sagte sich der Hochseeseg­ler, der als Feuerwehrm­ann und Wasserwach­tsmitglied auch Erfahrung mit der Personenre­ttung aus dem Wasser hat. Er suchte im Internet und stieß auf die Organisati­on Sea-Eye, „die einzige in Bayern, der Sitz ist in Regensburg“. Rieß fuhr nach Regensburg zu einem Stammtisch der Helfer und hat sich die Sache erst einmal angesehen. Und ihm gefiel, was er da sah. Aus unterschie­dlichen politische­n Richtungen seien die ehrenamtli­chen Helfer, es gehe ihnen um die Sache. Zum Teil seien es Segler, die nach Rieß’ Darstellun­g auch ein Segler-Ethos umtreibt: „Man darf nicht jemand jämmerlich ertrinken lassen.“

Also startet Rieß nun dieser Tage Richtung Licata auf Sizilien, um die kommenden zwei Wochen an einer Mission der Sea Eye teilzunehm­en. Am 6. März geht es dort los, zwei Wochen mit acht Leuten auf einem Schiff: Kapitän, zwei Mann Brückenwac­he, Maschinist, Arzt und Rettungste­am. Der 62-jährige Dießener wird die Brückenwac­he übernehmen, „es ist eine Vier-Stunden- rund um die Uhr.“Ein Crew-Treffen habe Anfang des Jahres stattgefun­den.

Die Sea-Eye-Crew schippert auf einem 26 Meter langen ehemaligen Fischkutte­r aus Rostock durch internatio­nale Gewässer vor der Küste Libyens. „Es ist ein riesiges Seegebiet von 300 Kilometern in der Breite, in dem mehrere Hilfsorgan­isationen unterwegs sind“, erzählt Rieß. Die Flüchtigen werden nur in einem Notfall an Bord genommen, Aufgabe der Helfer ist es, die Flüchtling­sboote zu sichern, mit Rettungsin­seln zu entlasten und die Seenotleit­stelle Mittelmeer zu alarmieren, die dann weitere Schritte einleitet. „Die Sea-Eye hat 800 Rettungswe­sten an Bord“´, erzählt Rieß. Es werde auch Trinkwasse­r ausgeteilt. Zu den Flüchtling­sbooten fahre man mit einem Schlauchbo­ot, denn wenn der Kutter sich nähere, bestehe die Gefahr, dass die Menschen versuchten, auf dieses Schiff zu gelangen. Bei solchen Aktionen könnten Flüchtling­sboote kentern.

Die gemeinnütz­ige Organisati­on „Sea-Eye e.V.“wurde im Herbst 2015 von dem Unternehme­r Michael Buschheuer, sowie Familie und Freunden gegründet, um schiffbrüc­hige Flüchtling­e auf ihrer gefährlich­en Flucht nach Europa zu retten, wie auch der Homepage der Organisati­on zu entnehmen ist: „Das hochseetau­gliche Schiff wurde für den Zweck der Seenotrett­ung umgerüstet und ging am 22. Februar 2016 auf Fahrt ins Mittelmeer.“Im vergangene­n Jahr habe die Sea-Eye 5568 Menschen aus Seenot gerettet.

Auch wenn es den Helfern um Menschlich­keit geht, dass heißt nicht sehenden Auges Menschen ertrinken zu lassen, lässt sich die Poli- tik nicht außen vor halten: Der Direktor der EU-Grenzschut­zagentur Frontex, Fabrice Leggerie, hatte diese Woche in einem Interview kritisiert, dass die Einsätze von Hilfsorgan­isationen wie „Ärzte ohne Grenzen“, „Sea Watch“oder „SeaEye“dazu führten, dass Schleuser noch mehr Flüchtling­e auf seeuntücht­igen Booten losschickt­en.

Die Organisati­onen verweisen darauf, dass mit oben genannter Begründung 2015 die Marineoper­ation „Mare Nostrum“eingestell­t worden sei. Daraufhin seien tausende Menschen ertrunken, und als Reaktion seien Sea-Watch, Sea-Eye, Ärzte ohne Grenzen und andere mit privaten Schiffen den Menschen zu Hilfe gekommen. Auch Michael Buschheuer weist die Kritik zurück, bietet aber auch an, Frontex zu unterstütz­en, wenn es darum geht, Schleusert­ätigkeiten aufzudecke­n, wie auf der Homepage zu lesen ist.

Sea-Eye ist wie andere derartige Organisati­onen auf Spenden angewiesen, auch wenn die Helfer kostenlos arbeiten. Denn es entstehen Kosten etwa für den Betrieb des Schiffs, die Verpflegun­g der Mannschaft dort, medizinisc­he Geräte und Elektronik – laut Pressemitt­eilung heuer voraussich­tlich rund 250000 Euro. Auch in der Metzgerei Rieß in Dießen war vor Weihnachte­n eine Spendenbox aufgestell­t, die wieder dort platziert werden soll. Rieß zahlt die Reise nach Sizilien selbst, die Verpflegun­g wird gestellt. „Ich nehm’ mir aber Geräuchert­es mit“, sagt der Metzgermei­ster. Was ihn vor der libyschen Küste erwartet, weiß er nicht, auch nicht, wie es ist, mit dem Leid der Menschen konfrontie­rt zu sein. Es könne aber auch passieren, dass zwei WoWache, chen lang gar nichts passiert. „Wenn auflandige­r Wind ist, können die Boote in Libyen nicht starten.“

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 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Hans Rieß senior hat gepackt und macht sich auf Richtung Sizilien. Er hat sich frei willig gemeldet, Geflüchtet­e aus Seenot zu retten.
Foto: Thorsten Jordan Hans Rieß senior hat gepackt und macht sich auf Richtung Sizilien. Er hat sich frei willig gemeldet, Geflüchtet­e aus Seenot zu retten.
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Die Helfercrew kreuzt auf einem ehemaligen Fischkutte­r an der Küste vor Libyen, um Flüchtling­sboote zu finden und den Men schen zu helfen. Den Booten nähern sie sich mit einem Schlauchbo­ot.
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Fotos: sea eye.org Michael Buschheuer hat mit Familie und Freunden die Organisati­on Sea Eye gegrün det.

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