Landsberger Tagblatt

„Trump ist kein Hitler“

Kurz nach dem Amtsantrit­t des neuen Präsidente­n werden in den USA Parallelen gezogen zum Deutschlan­d der 1930er Jahre. Der Historiker Andreas Wirsching erklärt, warum er die amerikanis­che Demokratie für stark hält

- Wirsching: Wirsching:

Der US-Historiker Timothy Snyder sieht in den ersten Wochen der Präsidents­chaft von Donald Trump „das Playbook der Dreißiger“und sieht „unheimlich­e“Ähnlichkei­ten. Anne Franks Stiefschwe­ster Eva Schloss verglich Trump schon im Wahlkampf mit Adolf Hitler. Der Direktor des Institutes für Zeitgeschi­chte (IfZ) in München, Andreas Wirsching, sieht ebenfalls einige Parallelen – aber noch viel mehr Unterschie­de. allem seinem Erlass zum Einreiseve­rbot für Muslime, hat er Rechtsunsi­cherheit geschaffen. Diese ist durch die Justiz zwar erst mal aufgehoben – die Frage ist nur: Wie lange? Wir werden künftig einen stärkeren Gegensatz zwischen Regierung und Justiz erleben. Trump wird versuchen, durch Erlasse die eigenen Handlungss­pielräume zu erweitern. Das könnte planhaft sein.

Wie sehen Sie die Rolle seiner Berater und vor allem den Einfluss des hoch umstritten­en Steve Bannon?

Das ist schwer einzuschät­zen, weil wir das Verhältnis von Trump und seinen Beratern noch zu

Eine Parallele ist in der Frage angelegt, ob und in welchem Umfang es Trump gelingen könnte, das Parlament zu überspiele­n. Das ist ja das, was 1933 passiert ist. Etwas Vergleichb­ares ist eigentlich in den USA nicht vorstellba­r, anderersei­ts könnte es schon sein, dass der Gegensatz zwischen dem Präsidente­n und dem Kongress schärfer wird. Das Verhältnis zwischen der Präsidialg­ewalt, die Adolf Hitler ja schnell auch an sich gerissen hat, und dem Parlament wird entscheide­nd sein. Eine weitere Parallele sind die Erosionste­ndenzen des Parteiensy­stems, die man im Moment in allen westlichen Demokratie­n beobachten kann. Die NSDAP kam an die Macht, weil die parteipoli­tischen Pfeiler Konservati­smus und Liberalism­us erodiert waren.

In den USA gibt es eine starke Fragmentie­rung bei den Republikan­ern: Es gibt die Tea-Party-Bewegung und ultra-konservati­ve Positionen, die in der Mitte überhaupt nicht mehrheitsf­ähig gewesen sind. Ein klarer politische­r Wille ist in der Partei lange nicht mehr erkennbar gewesen, und das ist die wesentlich­e Voraussetz­ung, warum Trump die Republikan­er kapern konnte. Diese Mischung als Erosion, Machtlosig­keit und Anpassung der bestehende­n Parteien muss man im Auge behalten. Man kann nur hoffen, dass die konservati­ven Eliten nicht den gleichen Fehler machen wie in der Weimarer Republik bei Hitler und der Versuchung erliegen, sich Trump irgendwie andienen zu wollen. permanente­n Ausnahmezu­stand regiert. Davon kann in den USA keine Rede sein. Und in Deutschlan­d kamen die Justizorga­ne nicht auf die Idee, Hitler zu stoppen. Da war völlig freies Feld. Dass das in den USA nicht der Fall ist, haben ja die bisherigen Entscheidu­ngen zum Einreisest­opp gezeigt. Und auch die Vorstellun­g einer Gleichscha­ltung der Bundesstaa­ten scheint mir in den USA völlig abenteuerl­ich. Außerdem verfügte Hitler über eine außerparla­mentarisch­e Massenbewe­gung auf der Straße. Davon sind wir in den USA natürlich ganz weit weg. Trump ist durch eine etwas amorphe Wählerscha­ft, die zahlenmäßi­g auch nicht die absolute Mehrheit war, gewählt worden und ich sehe keine große außerparla­mentarisch­e Bewegung für ihn – ich sehe eher eine gegen ihn.

Die amerikanis­che Zivilgesel­lschaft scheint mobilisier­t zu sein, und man kann die Leute nur ermutigen, ihr Demonstrat­ionsrecht wahrzunehm­en. Das ist natürlich 1933 in Deutschlan­d völlig anders gewesen. Die bürgerlich­e Mehrheit hat die NS-Machtergre­ifung begrüßt und die Eliten haben sich mindestens ambivalent verhalten und den Weg für Hitler geebnet. in allen westlichen Demokratie­n erleben. Sie negiert oder reduziert die Komplexitä­t der Welt. Diese Rhetorik verfängt leider bei vielen Menschen, die sich durch die Unübersich­tlichkeit der modernen Welt in ihrer Identität bedroht fühlen. Das sind häufig Leute, die ökonomisch gar nicht so schlecht gestellt sind, aber irgendwie zurückwoll­en zu einem imaginären Harmoniezu­stand, den sie durch Feinde bedroht sehen. Was in den USA verfängt, ist die Wunschvors­tellung, man könne in die 1950er Jahre zurück mit amerikanis­chen Arbeitern, die mit amerikanis­chem Kapital amerikanis­che Brücken und Straßen bauen. Das scheint zu wirken. Und dazu kommt der nach wie vor bestehende Rassismus, der durch Trumps FreundFein­d-Rhetorik ermutigt wird. Das ist in Europa genauso und das ist ein Spiel mit dem Feuer.

„Wer mit Immobilien­haien zu tun hatte, weiß, dass diese Gruppe sich mit Einschücht­erung gut auskennt.“ „In den USA verfängt die Wunschvors­tellung, man könne in die 1950er Jahre zurück.“

Sehen Sie Parallelen zwischen Trump und dem Vormarsch der Populisten in Deutschlan­d?

Wirsching: Das sind nationale Ausprägung­en ein und derselben Tendenz. Wir beobachten eine Wendung zur Wiederkehr von FreundFein­d-Ideologien – und zwar von rechts. Die USA sind das Mutterland der Demokratie, insofern ist die Entwicklun­g schon sehr beklemmend.

Interview: Britta Schultejan­s, dpa

Andreas Wir sching, 57, ist Direktor des Institu tes für Zeitge schichte. Vorher war der gebürtige Heidelberg­er als Ge schichtspr­ofessor an den Universitä­ten Tübingen und Augsburg tätig. Außerdem ist er Mitglied im wissenscha­ftlichen Beirat des Deut schen Historisch­en Museums in Berlin.

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Foto: Nicholas Kamm, afp Gibt es Parallelen zwischen US Präsident Donald Trump (Foto) und dem NS Regime? Der Historiker Andreas Wirsching gibt in unserem Interview eine differenzi­erte Antwort.
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A. Wirsching

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