Vom Leben auf dem Land
Viele Menschen träumen davon, was die Familie Leiner gewagt hat. Auf dem Weldener Hof gibt sie Gleichgesinnten Tipps
Katze, Hund, Pferd, etliche Schafe und auch ein paar eher exotische Tiere, dazu ein Gemüsegarten für die Versorgung mit unbelasteter Frische – viele träumen von so einer Idylle und davon, einfach und autark zu leben. Doch vor so einem Schritt von der gesicherten Existenz in eine möglicherweise unsichere Selbstständigkeit ist einiges zu überlegen und zu planen. Anja und Jürgen Leiner haben es 2010 gemeinsam mit ihren zwei damals halbwüchsigen Söhnen gewagt und sich mit dem Erwerb eines zum Verkauf stehenden Bauernhofs in dem kleinen Dorf Welden, einem Ortsteil der Gemeinde Fuchstal, diesen Traum erfüllt. Sieben Jahre später und um einige Erfahrungen reicher, boten sie jetzt erstmals einen Basisworkshop „Landleben“an für alle, die ebenfalls so etwas vorhaben.
„Wir wollen einfach, dass ihr nicht dieselben Fehler macht wie wir“, erklärt Jürgen Leiner, und startet den Tag mit einer Vorstellungsrunde. Da ist die gebürtige Berlinerin Daniela, die sich ihren Traum von einem Hof mit Pferd, Esel und vielleicht auch Alpaka am liebsten in Schweden verwirklichen möchte. Robert, der sich in Sachen Landwirtschaft als „völlig unbedarft“bezeichnet, kommt auch im Sinn seiner Frau, die gern Tiere um sich herum möchte, für den ein solcher Schritt allerdings in den nächsten fünf Jahren nicht infrage kommt. Philipp und Michaela wohnen mit ihren zwei kleinen Kindern im Speckgürtel von Stuttgart und möchten weg von dem vielen Verkehr. „Wir sind Landmenschen“, sagt Philipp, und berichtet von der Überlegung, nach Kanada auszuwandern. „Wir sind aber davon abgekommen, weil dort kaum schriftliche Verträge gemacht werden und eine Ansiedlung deshalb sehr hohes Risiko bedeutet.“Alternative für die junge Familie ist jetzt das Allgäu, wo möglichst noch dieses Jahr Fuß gefasst werden soll. „Wir möchten vor Ort etwas zum Mieten suchen“, sagt der gelernte Schreiner, „und uns dort in Ruhe umschauen.“Für Florian, einen der Leiner-Söhne, war der Umzug aufs Land als damals Zwölfjähriger „genial“, berichtete er in der Runde. Die Begeisterung ist auch heute noch so groß, dass er sich gut vorstellen kann, einen solchen Schritt „in ferner Zukunft auch zu machen“.
„Gemeinsame Midlifecrisisbewältigung“sei unter anderem Motivation dafür gewesen, noch einmal etwas Neues zu beginnen, erklärt Jürgen Leiner leicht schmunzelnd zu Beginn seiner unterhaltsamen Ausführungen zu einem doch recht diffizilen Thema. „Wir wollten mehr Platz, mit Tieren leben, etwas Eigenes selbst basteln.“Im Urlaub in Südnorwegen habe es eine große Familienkonferenz gegeben, denn sehr wichtig sei bei einem solchen Schritt, dass alle dahinterstehen. Weiter im Fokus noch vor einem eventuellen Kauf: Sind Job und Gesundheit stabil? Gibt es Helfer im Freundeskreis? Wie sieht es mit der handwerklichen Begabung aus? Die Finanzen: Ist zumindest einige Jahre lang noch ein gesichertes Grundeinkommen vorhanden? Denn die Ausgaben, warnt Jürgen Leiner, seien mit dem Kauf eines geeigneten Objekts noch lange nicht vorbei. „Ihr müsst damit rechnen, dass Renovierungsund sonstige Nebenkosten dazukommen, die etwa so hoch sind wie der Kaufpreis.“Sind solche essenziellen Dinge geklärt, könne über Lage, Hausform, Grundstücksgröße nachgedacht werden, und vor allem darüber, wie das Traumobjekt gefunden werden kann. „Fahrt über die Dörfer und haltet Ausschau nach leer stehenden Häusern“, bekommen die Workshopteilnehmer als einfachen Tipp.
Ist ein Haus gefunden, fängt die Knochenarbeit an. Leiner schildert dazu humorvoll die eigenen Erfahrungen mit dem Haus in Welden, ohne ordentliche Wasser- und Stromversorgung, mit durchhängender Decke. „Ich war tagelang in der Güllegrube“, erzählt Jürgen beispielsweise, und Sohn Florian erinnert sich an ebenso langes „Sch . . . in Eimern“wegschleppen. In der Grube befindet sich jetzt eine Regenwasserzisterne für das Brauchwasser im Haus. Weiter gibt es jede Menge Informationen zu rechtlichen Vorschriften. Irgendwann ist es aber genug mit der ganzen Theorie – Grundaussage „viel Arbeit viel Geld“. Nach einer ausgiebigen Mittagspause dürfen die Besucher Haus und Hof in Augenschein nehmen.
Jürgen Leiner führt durch das Wohnhaus mit wohldurchdachten Räumen und Besonderheiten wie zwei Kletter- beziehungsweise Rutschstangen vom Speicher bis ins Erdgeschoss. In den verschiedenen Stallungen auf dem weitläufigen Grundstück, wo es überall nach frischem Heu duftet, fühlen sich Lamas und Alpakas sichtlich wohl. Das Gleiche gilt für die vom Aussterben bedrohten Alpinen Steinschafe, von denen es laut Leiner nur noch etwa 600 Exemplare gibt. Nicht ganz so glücklich sind die Hühner, darunter die ebenfalls seltene Rasse „Augsburger Huhn“, die wegen der Vogelgrippe immer noch Stallpflicht haben „und viel lieber raus möchten“.
Zum „organischen Wachsen“, was der Familie Leiner in Bezug auf die Erweiterung des Tierbestandes wichtig ist, gehört auch das Angebot für Außenstehende. Aktuell hat Jürgen Leiner das Experiment „Misttrocknung“fast abgeschlossen. Der Lama- und Alpakadung hat laut Untersuchung jede Menge Nährstoffe, nach Trocknung werden die Mistcops fein gemahlen und und können als wohlriechender Dünger im Garten ausgebracht werden.