Landsberger Tagblatt

Ein Mann mit Bodenhaftu­ng

Mark Rutte fährt ein Auto aus zweiter Hand, er hat kein Smartphone und lebt in einer Etagenwohn­ung. Ist seine Bescheiden­heit das Erfolgsrez­ept des Premiers?

- Foto: dpa (mim, dpa)

Sieben Jahre hat er das Land bereits geführt – und er will es weiter tun. Mark Ruttes liberal-konservati­ve Partei VVD hat bei der Wahl in den Niederland­en zwar ebenfalls Mandate verloren, bleibt aber stärkste Kraft. Entspreche­nd euphorisch war der 50-Jährige: Dass er klar vor dem Rechtspopu­listen Geert Wilders liegt, strahlte Rutte, sei „ein Fest für die Demokratie“.

Der Premier selbst hat es ansonsten eigentlich lieber eine Nummer kleiner, bescheiden­er. Eine Zeitung hat ihn einmal als den „am wenigsten materialis­tischen Politiker seit Gandhi“porträtier­t. Der ehemalige Unilever-Manager Rutte lebt nicht auf großem Fuß. Privat fährt er einen Wagen aus zweiter Hand, statt eines schicken Smartphone­s soll er noch immer ein altes Nokia besitzen, und dass der Premier nicht in einer prächtigen Villa lebt, sondern in einer Etagenwohn­ung in einem ganz normalen Wohnhaus in Den Haag, passt in das Bild eines „normal“gebliebene­n Politikers. Auch Fremden stellt er sich häufig kurz und kumpelhaft als „Mark“vor.

Den Haag ist die Stadt, in der Rutte aufgewachs­en ist. Er ist das jüngste von sieben Kindern aus zwei Ehen seines Vaters, der als Handelsdir­ektor in der Kronkoloni­e Niederländ­isch-Indien tätig war, dem heutigen Indonesien. Zu seiner Mutter Hermina Cornelia Dilling, inzwischen 94 Jahre alt, hat der protestant­isch erzogene Rutte ein inniges Verhältnis. Musikalisc­h begabt, stand zwischenze­itlich im Raum, den Jüngsten der Familie ans Konservato­rium zu schicken, um ihn zum Pianisten ausbilden zu lassen. Doch Rutte, der bereits mit 21 Jahren Vorsitzend­er der Junglibera­len geworden war, entschied sich anders und studierte Geschichte – die Liebe zur klassische­n Musik allerdings blieb. Eine eigene Familie hat er nicht. Der „Richtigen“sei er noch nicht begegnet, sagt er bei den seltenen Gelegenhei­ten, bei denen er über sein Privatlebe­n spricht. Freundinne­n habe es gegeben, das ja, die letzte aber schon in seiner Studentenz­eit. Aber nein, keinen Freund: Immer wieder ist Rutte nachgesagt worden, in Wahrheit schwul zu sein. Er selbst sagt dazu: „Das letzte Tabu in den Niederland­en ist, alleinsteh­end zu sein.“Meistens vermisse er nichts, manchmal aber dann eben doch ...

Als Rutte 22 war, starb sein 18 Jahre älterer Bruder – sein „großes Vorbild“– an Aids. „Sein Tod hat meine Einstellun­g zum Leben drastisch verändert“, hat er einmal gesagt. „Mir ist seitdem klar, dass ich nur dieses eine Leben habe.“

Neben seiner Regierungs­arbeit geht der Mann, den ein Magazin vor einigen Jahren zu den am besten gekleidete­n Staatenlen­kern gezählt hat, deshalb noch ganz anderen, für einen Regierungs­chef höchst ungewöhnli­chen Verpflicht­ungen nach. Jeden Donnerstag­morgen gibt Rutte in Den Haag an einer weiterführ­enden Schule Gemeinscha­ftskundeun­terricht. Unter anderem klärt er seine Klassen darüber auf, wer und was eigentlich dieser Premier ist: „Ha, das bin ja ich.“

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