Landsberger Tagblatt

Gesucht – aber nie gefunden

Auf der Jagd nach Straftäter­n lockt die Polizei Zeugen regelmäßig mit Belohnunge­n. So auch bei zwei aktuellen Mordfällen in Bayern. Doch Geld hilft nicht immer

- VON MICHAEL BÖHM

In Westernfil­men hängen sie in jedem verschlafe­nen Dörfchen an jeder Ecke. Vergilbt, zerrissen und verlockend: Plakate, auf denen ein furchterre­gend dreinblick­ender Cowboyhut-Träger zu sehen ist, gerne mit Dreitageba­rt und Zigarette im Mundwinkel. „Wanted“steht darüber – und eine Zahl mit vielen Nullen darunter. Diese soll Kopfgeldjä­ger animieren, den gesuchten Gesetzesbr­echer zu finden und ihn für eine fürstliche Entlohnung „tot oder lebendig“beim nächsten Sheriff abzuliefer­n.

Die Zeiten des Wilden Westens sind glückliche­rweise vorüber, doch „Kopfgelder“werden auch heute noch ausgesetzt. Auch in Deutschlan­d, in Bayern, in der Region. Erst Anfang des Monats schrieb die Polizei in Oberbayern nach dem Doppelmord im Weiler Höfen bei Bad Tölz eine Belohnung in Höhe von 10000 Euro aus. Für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, die in einem Haus zwei Senioren brutal erschlagen und eine 76-jährige Frau schwer verletzt haben. Die gleiche Summe winkt seit Ende Januar demjenigen, der den Ermittlern bei der Aufklärung eines Mordes in NeuUlm hilft. Im November wurde dort auf der Straße ein in Russland und der Szene bekannter Kickboxer erschossen. Im Fall Höfen fahndet die Polizei nach einem tatverdäch­tigen Polen. Im Fall Neu-Ulm fehlt vom Täter noch immer jede Spur.

„Belohnunge­n auszusetze­n, ist in den meisten Fällen das letzte Mittel. Wenn alle anderen Ermittlung­sversuche im Sande verlaufen sind, versuchen wir, auf diesem Weg noch an neue Hinweise zu gelangen“, erklärt Ludwig Waldinger, Sprecher des bayerische­n Landeskrim­inalamtes (LKA) – der Behörde, die letztlich entscheide­t, ob, wann und in welcher Höhe derartige Belohnunge­n ausgeschri­eben und am Ende auch ausgezahlt werden. Doch wie oft geschieht das? In welchen Fällen ist der Polizei die Aufklärung eines Verbrechen­s Geld wert? Und wie erfolgreic­h ist die Ultima Ratio der Ermittler?

Letzteres könne und dürfe nicht mit nackten Zahlen beantworte­t werden, sagt Waldinger: „Wenn eine Belohnung auch nur in einem von 100 Fällen zur Ergreifung eines Täters führt, hat sich die Maßnahme schon gelohnt.“Ganz so ungleich scheint das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag nicht zu sein, doch allein der tote Kickboxer aus NeuUlm zeigt, dass auch Geld kein Allheilmit­tel ist. Zwar sind nach der Auslobung der Belohnunge­n noch dutzende Hinweise beim zuständige­n Polizeiprä­sidium eingegange­n – der eine Volltreffe­r, der entscheide­nde Tipp war aber nicht dabei.

Trotzdem versuchen es die Ermittler immer wieder, Zeugen oder auch Täter mit finanziell­en Anreizen aus ihrem Versteck zu locken. Allein im vergangene­n Jahr wurden in 26 Fällen in Bayern Belohnunge­n in Höhe von insgesamt 92 500 Euro ausgelobt. „Da ging es von Sachbeschä­digung bis Mord, die ganze Pa- lette also“, erklärt Kriminalha­uptkommiss­ar Waldinger vom LKA. Gleichzeit­ig wurden 2016 in sechs aufgeklärt­en Fällen 12500 Euro ausbezahlt.

Im Jahr zuvor war es noch mehr als doppelt so viel – vor allem wegen eines spektakulä­ren Falls in Bad Reichenhal­l. Dort hatte ein ehemaliger Soldat in der Nacht nach dem deutschen Finalsieg bei der FußballWel­tmeistersc­haft 2014 einen Rentner mit einem Kampfmesse­r erstochen und ein 17-jähriges Mädchen schwer verletzt. Die Polizei stellte daraufhin für den entscheide­nden Hinweis zur Lösung des Falles 20 000 Euro in Aussicht – und teilte das Geld schließlic­h im Jahr 2015 unter sieben Zeugen auf, nachdem der Mörder zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden war.

Es war eine außergewöh­nlich hohe Belohnung. In der Regel werden bei Sachbeschä­digung 1000 Euro und bei Mord 10000 Euro ausgelobt. Das werde aber von Fall zu Fall neu entschiede­n. „Manchmal kann eine zu hohe Summe auch einschücht­ern oder auch falsche Anreize schaffen“, erklärt LKA-Sprecher Waldinger.

Die höchste je in Bayern ausgelobte Belohnung, die in den Akten des Landeskrim­inalamtes zu finden ist, ist übrigens 30 Jahre alt: Eine Million Mark wurde für die Aufklärung des Mordes an dem Luftfahrt-Manager Ernst Zimmermann in München durch die Rote Armee Fraktion (RAF) im Jahr 1985 versproche­n. Das Geld liegt auch drei Jahrzehnte später noch zur Abholung bereit. Der Mörder ist noch immer nicht gefunden.

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Foto: Mauritius Images Kennt man vor allem aus dem Wilden Westen beziehungs­weise Western Film: Fahndungsp­lakate wie das obige, das für den be rühmten „Sundance Kid“6500 Dollar Belohnung ausschreib­t.

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