Landsberger Tagblatt

Hilferuf aus Grund und Mittelschu­len

Lehrer mussten zuletzt gut improvisie­ren, um den Unterricht gewährleis­ten zu können. Das Kultusmini­sterium räumt Engpässe ein. Aber was kann man tun?

- VON SARAH RITSCHEL

Notstand! Notprogram­m! Lehrermang­el sofort stoppen! Mit solch dramatisch­en Appellen beschreibt die Opposition im Landtag die Situation an Bayerns Grund- und Mittelschu­len. Bei der CSU klingt es ein bisschen anders. Man könne „nicht restlos ausschließ­en, dass es an einzelnen Schulen zu unvorherse­hbaren Engpässen kommt“, hieß es vor einigen Tagen aus dem Kultusmini­sterium. Während der Grippewell­e im Februar zum Beispiel habe man „Schwierigk­eiten“gehabt, präzisiert­e eine Ministeriu­msmitarbei­terin gestern im Bildungsau­sschuss des Landtags. Jetzt herrsche kein Notstand mehr.

Das sieht nicht nur die Opposition anders, sondern auch Simone Fleischman­n, die Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes (BLLV). Teilweise wüssten die Lehrer nicht mehr, „wie sie den normalen Schulbetri­eb aufrecht erhalten sollen“, klagt sie.

SPD, Grüne und Freie Wähler fordern deshalb, die Grund- und Mittelschu­len ab sofort und auch langfristi­g besser auszustatt­en. Der Kemptener Grünen-Abgeordnet­e Thomas Gehring zitiert Rektoren, die von einem „miserablen Jahr“berichten, der Frust an den Schulen sei so groß wie nie. Einen Hauptgrund für die „prekäre Situation“sieht Gehring darin, dass die Regierung nicht genug Lehrer in der mobilen Reserve bereithält. Diese Springer sollen kurzzeitig den Unterricht übernehmen, wenn ein Lehrer überrasche­nd ausfällt – zum Beispiel, wenn wie jedes Jahr im Winter die Grippe umgeht. Über 3000 Lehrer seien derzeit flexibel einsetzbar, heißt es aus dem Kultusmini­sterium. Doch Schulleite­r in Bayern beklagen schon seit Jahren, dass die mobile Reserve so mobil gar nicht ist. Die Springer übernehmen demnach zum Beispiel auch Schwangers­chaftsvert­retungen, helfen aus, wenn jemand langfristi­g krank ist. Wer spontan Hilfe braucht, hat dann das Nachsehen.

Die CSU hingegen argumentie­rt, dass statistisc­h gesehen im Schuljahr 2015/2016 an der Mittelschu­le nur 1,9 Prozent der Schulstund­en ersatzlos ausgefalle­n seien, an der Grundschul­e sogar nur 0,8 Prozent. Das zerpflückt nicht nur die Opposition. Wer an den Schulen in der Region fragt, hört stets dieselben Erklärunge­n. Rektoren berichten von Teilzeitkr­äften, die spontan mehr Stunden übernehmen, von Lehrern, die zwei Klassen gleichzeit­ig unterricht­en und von Schülern, die in andere Klassen verfrachte­t werden, damit keine Stunde ersatzlos gestrichen ist.

„Man sieht, wie anstrengen­d unser Job ist“, sagt BLLV-Präsidenti­n Fleischman­n dazu im Gespräch mit unserer Zeitung. Tatsächlic­h stellten drei Viertel der zuletzt 400 pensionier­ten Lehrer einen Antrag auf frühzeitig­en Ruhestand. Dass 60 der 400 Stellen Anfang März noch nicht wieder besetzt waren, nennt Fleischman­n „katastroph­al“. Doch die Warteliste­n für Grund- und Mittelschu­llehrer sind leer. Die Opposition fordert deshalb, weitere Gymnasial- und Realschull­ehrer ohne Stelle nachzuqual­ifizieren. Fleischman­n ist auch dafür. „Wir nehmen gerade jeden.“An einer Schule im Freistaat übernehme ihres Wissens nach im Moment eine Stewardess den Unterricht. Sie habe in Nordrhein-Westfalen eine Pädagogik-Ausbildung absolviert und mache sich gut. Aber das Beispiel zeige, wie es um die Unterricht­sversorgun­g bestellt sei.

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Foto: Caroline Seidel, dpa Immer wieder fallen Stunden aus. Die Opposition fordert deshalb, mehr Lehrer anzustelle­n.

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