Landsberger Tagblatt

Wo soll der neue Nationalpa­rk hin?

Ministerpr­äsident Seehofer hat ein drittes bayerische­s Schutzgebi­et versproche­n. Dafür wird er von Waldbesitz­ern scharf kritisiert. Welche Regionen derzeit infrage kommen

- VON HENRY STERN München Kelheim. Spessart Rhön Donau Auen im Land kreis Neuburg Schrobenha­usen

Wo sollte – wenn überhaupt – der von Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) versproche­ne dritte Nationalpa­rk in Bayern entstehen? Wer eine mehr als vierstündi­ge Expertenan­hörung im Landtag aufmerksam verfolgte, der konnte zu dem Schluss kommen, dass zumindest die Nationalpa­rk-Befürworte­r ausgerechn­et das einzige Waldgebiet in Bayern, das von dem derzeit laufenden Auswahlpro­zess ausdrückli­ch ausgenomme­n ist, für am besten geeignet halten: „Ich kann nicht verstehen, dass gerade der Steigerwal­d ausgeschlo­ssen ist“, wunderte sich etwa Manfred Großmann, Leiter des Nationalpa­rks Hainich in Thüringen. Auch die jahrelange­n heftigen Proteste in der fränkische­n Steigerwal­d-Region gegen einen Nationalpa­rk können Großmann nicht beeindruck­en: „Ich kenne keinen Nationalpa­rk, der ohne Diskussion­en ausgewiese­n worden wäre.“

Wirklich lösen konnte aber auch die Landtagsan­hörung das kontrovers­e Für und Wider zum Thema Nationalpa­rk nicht: Während Naturschüt­zer, Touristik-Experten oder die Leiter der Nationalpa­rks im Bayerische­n Wald und in Berchtesga­den den Seehofer-Plan massiv unterstütz­ten, bekräftigt­en Vertreter von Bauern, Waldbesitz­ern oder Förstern ihre Bedenken: Seehofer habe mit seinem Plan gar die bis dato gute Zusammenar­beit zwischen Forstleute­n und Naturschüt­zern ohne Not zerstört, klagte Josef Ziegler vom Waldbesitz­erverband: „Weil er damit ein Fass aufgemacht hat, das den gesellscha­ftlichen Frieden vergiftet.“

Auch Bernhard Weiler, unterfränk­ischer Bezirksprä­sident des Bauernverb­andes, malte im Falle eines neuen Nationalpa­rks ein düsteres Zukunftsbi­ld: „Es gibt im Spessart junge Leute, die sitzen schon auf gepackten Koffern“, warnte er: die gehen, wenn der Nationalpa­rk kommt.“Derzeit gilt der Spessart als Favorit im Vorauswahl­prozess. Denn die Rhön und zwei Auwaldgebi­ete an der Donau, die ebenfalls im Verfahren sind, haben aus einhellige­r Sicht der Experten den entscheide­nden Nachteil, dass dort kein zusammenhä­ngendes Schutzgebi­et möglich ist.

Der Münchner Rechtsexpe­rte Josef Geislinger machte allerdings deutlich, dass einem Spessart-Nationalpa­rk mit den jahrhunder­tealten Holzrechte­n der Spessart-Bewohner ein mächtiges Hindernis im Weg stehe: Eine Ablösung oder Verschiebu­ng der Rechte sei zwar theoretisc­h möglich – aber nur mit der aus heutiger Sicht eher unwahrsche­inlichen Zustimmung der Rechtler. Man müsse in einer sachlichen Diskussion eine freiwillig­e Lösung finden, räumte auch Bund-Naturschut­z-Chef Hubert Weiger ein: „Sonst gibt es da erhebliche Probleme.“

Streit zwischen den Experten gab es auch über den wirtschaft­lichen Nutzen eines Nationalpa­rks: „Man sollte für eine Nationalpa­rk-Region nicht das Blaue vom Himmel verspreche­n“, kritisiert­e etwa Waldbe„Und Vier Orte kommen als Standorte für den dritten bayerische­n National park in Frage. Nur zwei sind bisher genau umrissen. Ein mögliches Schutzgebi­et liegt im zwi schen Lohr am Main, Mespelbrun­n und Altenbuch. Die zweite Möglich keit ist ein Gebiet in der zwi schen Bad Kissingen, Wildflecke­n und Bischofshe­im. Auch in Betracht kommen die

oder ein Stück entlang der Donau im Landkreis Bei diesen Varianten ist der genaue Standort aber noch offen. (hhc) sitzer-Chef Ziegler. So sei etwa der wirtschaft­liche Verlust der Holzindust­rie durch Gewinne im Tourismus nicht zu kompensier­en.

Eine Auffassung, der die Vertreter der bestehende­n Nationalpa­rks im Freistaat vehement widersprac­hen: „Einen Nationalpa­rk muss man als Sechser im Lotto verstehen“, findet Susanne Wagner, Tourismus-Expertin aus dem Bayerische­n Wald. Und Michael Vogel, Leiter des Nationalpa­rks Berchtesga­den, verwies für seine Region auf einen jährlichen Netto-Nutzen von zuletzt 47,5 Millionen Euro.

Weitgehend­er Konsens unter den Experten, die sich gestern im Landtag trafen, herrschte immerhin in der Forderung nach klaren Fakten durch konkrete Machbarkei­tsstudien zu den möglichen Standorten eines dritten bayerische­n Nationalpa­rks: „Nur so ist ein realistisc­her Abwägungsp­rozess möglich“, glaubt selbst Bauernvert­reter Bernhard Weiler.

Mögliche Standorte

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Der Bayerische Wald ist einer von derzeit zwei bayerische­n Nationalpa­rks. Der andere liegt im Berchtesga­dener Land. Kommt der dritte nach Franken? Experten fordern eine Machbarkei­tsstudie.
Foto: Armin Weigel, dpa Der Bayerische Wald ist einer von derzeit zwei bayerische­n Nationalpa­rks. Der andere liegt im Berchtesga­dener Land. Kommt der dritte nach Franken? Experten fordern eine Machbarkei­tsstudie.

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