Landsberger Tagblatt

Ein Flüchtling­s Schlauchbo­ot im Museum

Konzeptkün­stler Ai Weiwei will an die Schicksale im Mittelmeer erinnern

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Den chinesisch­en Konzeptkün­stler Ai Weiwei lässt das Schicksal der Mittelmeer-Flüchtling­e nicht los. In Prag präsentier­te der 59-Jährige am Donnerstag sein bisher größtes Projekt zu dem Thema: Ein 70 Meter langes Schlauchbo­ot, auf dem 258 überlebens­große, aufblasbar­e Figuren von Schutzsuch­enden sitzen. Die dunkle Installati­on schwebt an Drahtseile­n im Raum. Ein von Rettungswe­sten umgebenes Prisma spiegelt das Monument.

„Können wir denn wirklich unseren Lebensstil in Europa weiterführ­en und diese Situation ignorieren?“, fragte Ai Weiwei in Prag. Europa trage eine große Verantwort­ung, denn es sei bisher keine Lösung in Sicht. Das gigantisch­e Schlauchbo­ot ist Teil der Ausstellun­g „Law of the Journey“(Gesetz der Fahrt), die bis Anfang 2018 in der tschechisc­hen Nationalga­lerie zu sehen ist. Ai Weiwei ließ das Riesen-Plastikboo­t in einer chinesisch­en Fabrik herstellen. „Wir haben dort gefragt, wohin gehen eure Boote? Und sie haben gesagt: in die Türkei“, erklärte der Künstler. Erstmals in Europa ist in Prag auch Ai Weiweis „Laundromat“zu sehen: Er sammelte Kleidung, die Flüchtling­e im griechisch­en Lager Idomeni zurückgela­ssen hatten, und bügelte sie.

Allein in diesem Jahr starben nach Angaben der Migrations­organisati­on IOM 525 Menschen bei der gefährlich­en Überfahrt über das Mittelmeer; im vorigen Jahr waren es mehr als 5000. „Das ist sowohl eine Tragödie als auch ein Verbrechen“, sagte Ai Weiwei. Der prominente Kritiker des Regimes in Peking pendelt zwischen Ateliers in Berlin und Peking. Dass Ai Weiwei seine Mega-Skulptur in Tschechien präsentier­t, ist pikant: Nach Umfragen ist die Mehrheit der Menschen in dem EU-Mitgliedss­taat gegen die Aufnahme von Flüchtling­en. Mitteleuro­pa erlebe derzeit eine Welle der Hysterie, sagte Jiri Fajt, der Leiter der Nationalga­lerie in Prag. „Das ist genau der Grund, warum wir dieses Projekt gestartet haben.“Die Angst vor dem Fremden sei normal, sagte Ai Weiwei, mahnte aber: „Wir dürfen nur einen Maßstab haben – und das ist die Menschenwü­rde.“

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Foto: dpa Ai Weiweis Schlauchbo­ot in der tsche chischen Nationalga­lerie.

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