Landsberger Tagblatt

Ergebnisse sehr vielverspr­echend

- Rückfallri­siko nach Nierenstei­noperation­en

durch Licht aktivieren lässt. Er trägt den Namen HLAA (Hydrophobi­c Light-Activated Adhesive). Bislang wurde der neue Kleber erst im Rahmen von Tierexperi­menten getestet. Da die Ergebnisse aber sehr vielverspr­echend waren, hält es Lang für denkbar, dass der Stoff innerhalb der nächsten fünf Jahre zugelassen wird. Um ihn zu vermarkten, wurde in Paris ein Unternehme­n gegründet (die „Gecko Biomedical“), mit dem die Ärztin zusammenar­beitet.

Der Kleber könnte minimal-invasive Eingriffe am Herzen erheblich erleichter­n. „Ursprüngli­ch war das Ziel des Projektes, eine neue Technik zu entwickeln, um Löcher am Herzen zu verschließ­en“, berichtet die Ärztin, die in der Klinik für Kinderkard­iologie und angeborene Herzfehler des Deutschen Herzzentru­ms München angestellt ist. Bislang müssen solche Defekte unter Umständen im Rahmen einer Operation am offenen Herzen verschloss­en werden. Das bedeutet einen großen Eingriff, der mit Risiken verbunden ist. Dabei wird über den Defekt ein Flicken genäht. An den Nahteinsti­chstellen kann es zu Nachblutun­gen kommen, die die Operations­zeit verlängern können.

Um solche Eingriffe zu vereinfach­en, kam Lang auf den Gedanken, Löcher oder Wunden mit Gewebe- Derzeit arbeiten Wissenscha­ftler an ver schiedenen Klebstoff Innovation­en, die der Medizin zugute kommen könn ten. Vielverspr­echend ist z.B. eine Neuentwick­lung von Forschern des Fraunhofer Instituts für Fertigungs technik und Angewandte Materialfo­r schung in Bremen: Ihr „medi NIK“Klebstoff soll das

sen ken. In vielen Fällen werden Nierenstei ne per Laser oder Stoßwellen­thera

zu verkleben – eben so, wie man ein Loch in der Hose mit einem selbstkleb­enden Flicken repariert. „Die Klebekraft der bisherigen Patches war aber zu gering“, sagt die Ärztin. Im Rahmen eines Aufenthalt­s an der Harvard Medical School in Boston stieß sie in der medizinisc­hen Literatur auf Berichte über das Sekret des Sandburgwu­rms. Zusammen mit amerikanis­chen Kollegen entwickelt­e sie nach diesem Beispiel den neuen Gewebekleb­er HLAA. Er besteht aus dem Polymer PGSA, das sich aus Glycerol und Sebacinsäu­re zusammense­tzt. „Von seiner Beschaffen­heit her ist er ähnlich wie Honig“, beschreibt ihn Lang. Dem Stoff ist ein Photoiniti­ator beigemisch­t: Wenn er mit Licht bestrahlt wird, härtet der Gewebekleb­er innerhalb von Sekunden zu einer flexiblen Schicht aus. „Eigent- pie zertrümmer­t. Kleinere Steinfrag mente können aber bislang nicht zu verlässig entfernt werden und bleiben zurück, heißt es bei dem Institut. Da her sei das Risiko, dass sich erneut Stei ne bilden, sehr hoch. Der neue Bio Kleber verbindet die Trümmertei­le zu einem gummiartig­en Klumpen, der sich aus der Niere ziehen lässt. Marktreif soll er in vier bis fünf Jahren sein. Um derartige Stoffe, die auch in feuch ter Umgebung haften, zu entwickeln,

reagiert er mit UV-Licht. Da solche Strahlen aber möglicherw­eise schädlich sind, arbeiten wir mittlerwei­le mit anderen Wellenläng­en“, sagt die Ärztin.

Dass der Kleber erst durch Bestrahlun­g aktiviert wird, ist laut Lang einer seiner Vorteile: „Er härtet dadurch nicht sofort aus. Wurde er falsch aufgetrage­n, lässt sich das also nochmal korrigiere­n.“Ansonsten sei HLAA unbedenkli­ch, biologisch abbaubar, elastisch und widerstand­sfähig – Eigenschaf­ten, die es in dieser Kombinatio­n bei anderen Klebstoffe­n nicht gebe.

Heute ist bereits eine große Zahl diverser Gewebekleb­er auf dem Markt, wie Professor Hans Schlitt vom Berufsverb­and der Deutschen Chirurgen erklärt. Sie würden in verschiede­nen Bereichen der Chirurgie eingesetzt, etwa zur Blutstilpf­laster haben Forscher sich von Miesmusche­ln inspiriere­n lassen. Sie kleben auch unter Wasser extrem fest an verschiede nen Materialie­n. Stoffe, die nach dem Beispiel des Muschel Klebers syn thetisch nachgebaut wurden, könn ten verwendet werden, um Zahnim plantate zu befestigen oder um Risse in der Fruchtblas­e zu verschließ­en. Wei tere Tiere als Kleberlief­eranten im Fokus der Wissenscha­ft: unter anderem Krebse, Geckos und Zecken. (toll)

lung bei größerfläc­higen Blutungen oder zum Verschluss von Hautwunden. Daneben ließen sich damit auch Nähte an brüchigem Gewebe, etwa am Darm, stabilisie­ren oder Gefäße, die geblutet haben, direkt verschließ­en.

So groß wie die Anwendungs­breite sind Art und Wirkmechan­ismen der Produkte: Teilweise kommen chemische Substanzen wie Histoacryl zum Einsatz – etwa bei den flüssigen Gewebekleb­ern, mit denen Hautwunden verschloss­en werden. „Hier wird in der Regel eine starke Entzündung­sreaktion hervorgeru­fen, die zur Vernarbung und damit zum Verschluss führt“, berichtet Schlitt, Chirurg am Universitä­tsklinikum Regensburg. Fibrinkleb­er, die unter anderem zur Blutstillu­ng verwendet werden, basieren dagegen auf natürliche­n Stoffen: Die Gelich Ratten getestet. Bei ihnen ist es gelungen, Löcher an der Außenseite der linken Herzkammer mit klebstoffb­eschichtet­en Patches zu verschließ­en. Außerdem ließen sich Defekte an den Gefäßen direkt, also nur mit Kleber, abdichten.

Die neue Technik hat allem Anschein nach einen weiteren Vorteil, wie Lang erklärt. So haben die Forscher beobachtet, dass die Patches nach einer Weile von körpereige­nem Fibrin überlagert werden. „Wir denken, dass Kleber und Patch nach und nach überwachse­n und durch körpereige­nes Gewebe ersetzt werden“, sagt sie. Nach ein paar Monaten könnte sich der Flicken also komplett aufgelöst haben.

Wenn sich die Erwartunge­n an den neuen Stoff erfüllen, wäre das ein großer Schritt in der Chirurgie. Damit ließen sich z.B. Defekte am Herzen, etwa angeborene Löcher in der Herzscheid­ewand, leichter minimal-invasiv verschließ­en, was insbesonde­re kleinen Kindern zugute käme. Auch in anderen Bereichen, vor allem in der Gefäßchiru­rgie, könnte man den Kleber anwenden, wie die Wissenscha­ftlerin sagt. Vielleicht ließen sich damit eines Tages sogar Hirnblutun­gen stoppen.

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