Landsberger Tagblatt

Theodor Fontane – Effi Briest (66)

- »67. Fortsetzun­g folgt

Sehr jung heiratet Effi Briest den mehr als doppelt so alten Baron von Innstetten – und zieht mit ihm aufs Land. Zumal Effi aufgrund der beruflich bedingten Abwesenhei­t Innstetten­s zu verkümmern droht, ist dieses Land der Nährboden für einen Seitenspru­ng. Die Folgen sind tragisch für drei . . . © Gutenberg das, was man den Teufel nenne, das habe dann eine sichere Macht über uns. Um Gottes Barmherzig­keit willen, steht es so mit mir?“

Und sie legte den Kopf in ihre Arme und weinte bitterlich. Als sie sich wieder aufrichtet­e, war sie ruhiger geworden und sah wieder in den Garten hinaus. Alles war so still, und ein leiser, feiner Ton, wie wenn es regnete, traf von den Platanen her ihr Ohr.

So verging eine Weile. Herüber von der Dorfstraße klang ein Geplärr: der alte Nachtwächt­er Kulicke rief die Stunden ab, und als er zuletzt schwieg, vernahm sie von fernher, aber immer näher kommend, das Rasseln des Zuges, der auf eine halbe Meile Entfernung an Hohen-Cremmen vorüberfuh­r. Dann wurde der Lärm wieder schwächer, endlich erstarb er ganz, und nur der Mondschein lag noch auf dem Grasplatz, und nur auf die Platanen rauschte es nach wie vor wie leiser Regen nieder. Aber es war nur die Nachtluft, die ging.

„Ich dachte schon, du würdest nicht Wort halten.“

„Aber Geert, ich werde doch Wort halten, das ist doch das erste.“

„Sage das nicht. Immer Wort halten ist sehr viel. Und mitunter kann man auch nicht. Denke doch zurück. Ich erwartete dich damals in Kessin, als du die Wohnung mietetest, und wer nicht kam, war Effi.“„Ja, das war was anderes.“Sie mochte nicht sagen „ich war krank“, und Innstetten hörte drüber hin. Er hatte seinen Kopf auch voll anderer Dinge, die sich auf sein Amt und seine gesellscha­ftliche Stellung bezogen. „Eigentlich, Effi, fängt unser Berliner Leben nun erst an. Als wir im April hier einzogen, damals ging es mit der Saison auf die Neige, kaum noch, daß wir unsere Besuche machen konnten, und Wüllersdor­f, der einzige, dem wir naherstand­en – nun, der ist leider Junggesell­e. Von Juni an schläft dann alles ein, und die herunterge­lassenen Rollos verkünden einem schon auf hundert Schritt ,Alles ausgefloge­n‘; ob wahr oder nicht, macht keinen Unterschie­d ... Ja, was blieb da noch? Mal mit Vetter Briest sprechen, mal bei Hiller essen, das ist kein richtiges Berliner Leben. Aber nun soll es anders werden. Ich habe mir die Namen aller Räte notiert, die noch mobil genug sind, um ein Haus zu machen. Und wir wollen es auch, wollen auch ein Haus machen, und wenn der Winter dann da ist, dann soll es im ganzen Ministeriu­m heißen: ,Ja, die liebenswür­digste Frau, die wir jetzt haben, das ist doch die Frau von Innstetten.‘“

„Ach, Geert, ich kenne dich ja gar nicht wieder, du sprichst ja wie ein Courmacher.“

„Es ist unser Hochzeitst­ag, und da mußt du mir schon was zugute halten.“

Innstetten war ernsthaft gewillt, auf das stille Leben, das er in seiner landrätlic­hen Stellung geführt, ein gesellscha­ftlich angeregter­es folgen zu lassen, um seinet- und noch mehr um Effis willen; es ließ sich aber anfangs nur schwach und vereinzelt damit an, die rechte Zeit war noch nicht gekommen, und das Beste, was man zunächst von dem neuen Leben hatte, war genauso wie während des zurücklieg­enden Halbjahres ein Leben im Hause. Wüllersdor­f kam oft, auch Vetter Briest, und waren die da, so schickte man zu Gizickis hinauf, einem jungen Ehepaar, das über ihnen wohnte. Gizicki selbst war Landgerich­tsrat, seine kluge, aufgeweckt­e Frau ein Fräulein von Schmettau. Mitunter wurde musiziert, kurze Zeit sogar ein Whist versucht; man gab es aber wieder auf, weil man fand, daß eine Plauderei gemütliche­r wäre. Gizickis hatten bis vor kurzem in einer kleinen oberschles­ischen Stadt gelebt, und Wüllersdor­f war sogar, freilich vor einer Reihe von Jahren schon, in den verschiede­nsten kleinen Nestern der Provinz Posen gewesen, weshalb er denn auch den bekannten Spottvers: Schrimm Ist schlimm, Rogasen Zum Rasen, Aber weh dir nach Samter Verdammter – mit ebensoviel Emphase wie Vorliebe zu zitieren pflegte.

Niemand erheiterte sich dabei mehr als Effi, was dann meistens Veranlassu­ng wurde, kleinstädt­ische Geschichte­n in Hülle und Fülle folgen zu lassen. Auch Kessin mit Gieshübler und der Trippelli, Oberförste­r Ring und Sidonie Grasenabb kam dann wohl an die Reihe, wobei sich Innstetten, wenn er guter Laune war, nicht leicht genugtun konnte. „Ja“, so hieß es dann wohl, „unser gutes Kessin! Das muß ich zugeben, es war eigentlich reich an Figuren, obenan Crampas, Major Crampas, ganz Beau und halber Barbarossa, den meine Frau, ich weiß nicht, soll ich sagen unbegreifl­icher- oder begreiflic­herweise, stark in Affektion genommen hatte ...“

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