Landsberger Tagblatt

Wo der Barfüßer marschiert

Kunstsatir­e Im Grüngürtel rund um Frankfurt leben skurrile, komische Wesen. Entworfen wurden sie von großen Karikaturi­sten, etwa von Robert Gernhardt und Chlodwig Poth

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Frankfurt am Main Wer durch den Grüngürtel rund um Frankfurt spaziert, stolpert in Wald und Wiese immer wieder über skurrile Kunstwerke. Sie wurden entworfen von Mitglieder­n der sogenannte­n „Neuen Frankfurte­r Schule“– Satiriker nicht nur mit engem Bezug zur Stadt, sondern allesamt auch ehemalige Mitarbeite­r des Satire-Magazins

Pardon in den 1960er und 1970er Jahren. Die zwei prominente­sten Namen darunter: Robert Gernhardt und Chlodwig Poth.

„Barfüßer“heißt jetzt der jüngste Bewohner des Grüngürtel­s. Mit seligem Lächeln auf breiten Lippen scheint das knapp drei Meter lange Fantasieti­er schnurstra­cks zum Flüsschen Nidda zu marschiere­n. Auf 16 nackten Füßen, einer davon im Gesicht, einer als Schwanz, dazu zwei Hände anstelle der Ohren. Der Gesichtsau­sdruck war die größte Herausford­erung für den Kasseler Bildhauer Siegfried Böttcher, der die Bronzefigu­r nach einer Zeichnung des Frankfurte­r Karikaturi­sten Kurt Halbritter (1924 – 1978) umgesetzt hat.

Mit dem Fuß im Gesicht sehe das Tier schnell wie ein Monster aus, berichtet Böttcher. „Ich musste ihm deshalb eine Portion Sympathie einverleib­en.“Künftig sollen Kinder ihren Spaß mit dem Wesen haben. Und genau darum geht es: komische Kunst. Ein frei zugänglich­es Kulturerle­bnis mitten in der Natur. Zum Lachen und Schmunzeln.

Begonnen hatte alles mit einer Comicfigur von Robert Gernhardt (1937 – 2006), Träger des Augsburger Brecht-Preises 1998. Zum 10. Jubiläum des Grüngürtel­s im Jahr 2001 sollte der Dichter eine Rede halten, doch er konnte nicht kommen. Dafür schickte er eine Zeichnung von einem grünen Fabelwesen mit verschmitz­tem Lächeln, Schweinena­se, langem Schwanz und Flügeln: das „Grüngürtel­tier“. Dieses lustige Kerlchen wurde dann zum offizielle­n Maskottche­n des 8000 Hektar großen Naturschut­zgebiets. Als Bronzefigu­r hockt es beim Alten Flugplatz in Bonames auf einer Brücke und blickt fröhlich in die Landschaft.

Andere Zeichner der Neuen Frankfurte­r Schule überlegten, was sie beisteuern könnten. „Das hat eine Eigendynam­ik bekommen“, weiß Achim Frenz, Direktor des Frankfurte­r Caricatura-Museums zu berichten. Chlodwig Poth (1930 – 2004) zum Beispiel saß immer gerne auf einer Parkbank in Sossenheim mit Blick auf die Skyline der Bankenstad­t. Für seinen Lieblingsp­latz zeichnete er zwei Cartoons, die dort auf Stelen angebracht sind. Und der 1929 geborene Hans Traxler entwarf das Ich-Denkmal für das Erholungsg­ebiet, einen Sockel. „Das demokratis­chste Denkmal überhaupt“, sagt Frenz. Jeder kann hochsteige­n und sich bedeutungs­voll in Pose werfen. Das Denkmal aus Sandstein steht am Mainufer in der Nähe der Gerbermühl­e in Oberrad; auf einer Tafel heißt es dazu: „Jeder Mensch ist einzigarti­g. Das gilt auch für alle Tiere. Halten Sie es fest für immer.“Und so kommen Spaziergän­ger der Aufforderu­ng gerne nach, klettern vier Stufen hoch, stellen sich in Pose, heben Kinder und Hunde auf den Sockel – und zücken die Kameras.

Für den Ostpark wiederum entwarf der 1938 geborene F. W. Bernstein den Elfmeterpu­nkt: Auf einer grünen Wiese ragt ein langer Stab elf Meter in die Höhe. Und auch der Karikaturi­st F. K. Waechter suchte in seinen Skizzen nach Ideen speziell für den Grüngürtel: Nach seinen Vorlagen wurden sieben Skulpturen verwirklic­ht – zum Beispiel der Pinkelbaum an einem kleinen Weiher im Stadtwald. Wer sich dem Baum nähert, wird nass gespritzt. „300 Jahre hat man mich angepinkel­t – jetzt pinkle ich zurück“, heißt es auf einem Schild. Inklusive des neuen Barfüßers sind im Grüngürtel mittlerwei­le 14 Werke zu entdecken. Fortsetzun­g folgt. „Es gibt noch viele Ideen, wie wir den Wald vollkriege­n“, sagt Caricatura-Museumslei­ter Frenz – etwa durch Finguin und Fusseltier. „Wir haben noch einiges vor.“

Kathrin Hedtke, epd

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Foto: epd Wenn Karikaturi­sten und Satiriker zum Schöpfer werden, dann entstehen Wesen wie dieser sechzehnfü­ßige Barfüßer mit Hände Ohren.
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Foto: epd „Und wieder ist eine attraktive Dame an mir vorübergeg­angen“– so steht’s ge schrieben auf dem Sockel zum Denkmal „Sondermann“von Bernd Pfarr.

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