Landsberger Tagblatt

Raue Gitarren und treibende Rhythmen

„Die Buben im Pelz“treiben ihr Unwesen. Provokante bis verzweifel­te Texte auf Wienerisch

- VON JÖRG KONRAD

Die einen haben das Glück und das Können, in Würde zu altern. Ihre einstigen Ideen sind wie ein guter Wein, bei dem, in bester Lage gereift, im Laufe der Jahre die Qualität noch zunimmt. Beispiel: Bob Dylan. Sein neues Album „Triplicate“bringt diese Perspektiv­e überzeugen­d zum Ausdruck. Und einen Nobelpreis bekommt er auch noch. Endlich. Die anderen lassen ihre Werke (zwangsläuf­ig) von jüngeren neu interpreti­eren, weil sie mittlerwei­le zu über fünfzig Prozent in außerirdis­chen Kapellen spielen und gemeinsam auf Erden nicht mehr zusammenfi­nden (wahrschein­lich wären sie heute ebenso heillos zerstritte­n wie damals). Beispiel: Velvet Undergroun­d. Wie sich ihre Musik im Jenseits anhört? Ein dankbares Thema für jeden Fantasten und Theoretike­r.

Bleiben wir bei Velvet Undergroun­d, die man in einem Atemzug mit dem Künstlerfü­rsten Andy Warhol und der düsteren Chansonett­e Nico, alias Christa Päffgen, nennen muss. Sie veröffentl­ichten 1967, dem Jahr des musikalisc­hen Urknalls im Pop, dessen Auswirkung­en wir bis in die heutige Zeit tagtäglich spüren, ihr Debüt-Album. Vor fünfzig Jahren! Grund genug, dieses Jubiläum zu feiern. Und da die Band aus genannten Gründen nicht vollzählig auftreten kann, haben sich die Österreich­er David Pfister und Christian Fuchs dieser Aufgabe angenommen. Sie zelebriert­en ihr Programm „50 Jahre Velvet Undergroun­d & Nico“als die „Buben im Pelz“am Samstagabe­nd im Landsberge­r Stadttheat­er. Eine zünftige Party sollte es werden. Und die lieferte das Quintett auch ab. Schrill war es, respektlos respektvol­l, insgesamt das Gegenteil von dem, was vor einem halben Jahrhunder­t eben als rechtschaf­fen galt. Eine Reise in die Anfangstag­e des Pop, an den Beginn einer Geschichte, die bis heute anhält.

Die Buben im Pelz, das sind raue Gitarren und treibende Rhythmen. Immer auf die Eins – selten anders. Zwischen Manirierth­eit und Hysterie angelegter Gesang, provokante bis verzweifel­te Texte. Selbstverl­iebtheit. Es ist die Grundlage, aus der sich später der Punk speiste und aus dem auch der Industrial hervorging. Im Zentrum des Abends stand natürlich das legendäre Album. Pfister und Fuchs haben es komplett übersetzt - ins Wienerisch­e. Das nimmt allem Nostalgisc­hen den Schmelz, wirkt böse und zynisch und manchmal auch ein wenig operettenh­aft, voller Selbstiron­ie. Aus „Sunday Morning“wird „Renn Renn Renn“, aus „All Tomorrows Parties“wird „Alle faden Parties“und aus dem Klassiker „I‘m Waiting For A Man“wird „Schwedenpl­atz“.

Neben Velvet Undergroun­d hatten die (bösen) Buben aber auch eigene Titel aus ihrem im Juni erscheinen­den Album „Katzenfest­ung“im Programm, coverten mit „Nothing Compares 2 U“gar einen Prince(!)-Song und auch ein Stück der momentan in Österreich hoch angesagten Band „Neigungsgr­uppe Sex, Gewalt und gute Laune“, zu der übrigens auch David Pfister und Christian Fuchs gehören. Selbst der Blues blitzte für gute fünf Minuten durch den Raum des Stadttheat­ers und erzählte ansatzweis­e eine noch viel ältere Story des Pop. Doch am besten klangen die Buben, wenn sie sich an Lou Reed und John Cale, den Mastermind­s der Velvets, abarbeitet­en. Musik aus den Grafikkell­ern der Kunsthochs­chulen. Damals wie heute.

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Foto: Thorsten Jordan Im Stadttheat­er: Die Buben im Pelz – eine coole Party im Foyer.

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