Landsberger Tagblatt

Mehr Pfleger für die Patienten

Regierung fordert für bestimmte Klinikbere­iche verbindlic­he Personalun­tergrenzen. Doch die Verhandlun­gen zwischen den Kassen und den Krankenhäu­sern dürften hart werden

- VON MARTIN FERBER Berlin Bild: Pascal Fossier, Imago

Nachts auf der Intensivst­ation. Das Pflegepers­onal kommt kaum zur Ruhe. Die Patienten, alle schwer krank und frisch operiert, müssen rund um die Uhr überwacht und betreut werden: Ein Knochenjob ohne Zeit zum Atemholen, erst recht, wenn auch noch akute Notfälle hereinkomm­en. Doch gerade nachts ist in vielen Krankenhäu­sern die ohnehin schon schwierige Personalsi­tuation noch angespannt­er. Vor zwei Jahren prangerte die Gewerkscha­ft Verdi mit einem von ihr durchgefüh­rten „Nachtschic­htCheck“die Verhältnis­se an und rüttelte die Politik wach: In der Nachtschic­ht seien viele Stationen „gefährlich unterbeset­zt“, eine Pflegekraf­t müsse sich um bis zu 34 Patienten kümmern.

CDU-Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe zieht daraus die Konsequenz­en. Am heutigen Mittwoch verabschie­det das Bundeskabi­nett einen Gesetzentw­urf, mit dem die Personalsi­tuation in den Krankenhäu­sern verbessert werden soll. So werden die Krankenkas­sen und die Träger der Krankenhäu­ser aufgeforde­rt, für spezielle Bereiche wie beispielsw­eise Intensivst­ationen oder im Nachtdiens­t künftig verbindlic­he Personalun­tergrenzen festzulege­n, die nicht unterschri­tten werden dürfen. Die Vereinbaru­ng muss bis zum 30. Juni kommenden Jahres stehen und zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Sollte die Selbstverw­altung sich bis dahin nicht einigen, wird das Gesundheit­sministeri­um von sich aus bis zum 31. Dezember 2018 eine Unter- festlegen. Zudem sollen die Krankenhäu­ser, die die Mindeststa­ndards beim Personal unterschre­iten, künftig öffentlich benannt werden und müssen mit wirtschaft­lichen Sanktionen rechnen.

Im Gegenzug stellt die Politik mehr Geld zur Verfügung. Um dauerhaft die Engpässe beim Pflegepers­onal zu beheben, erhalten die Kliniken seit diesem Jahr einen Pflegezusc­hlag. Dieser soll ab 2019 um die Mittel eines Pflegestel­len-Förderprog­ramms ergänzt und von bisher 500 Millionen auf bis zu 830 Millionen Euro pro Jahr anwachsen. „Eine gute Versorgung im Krankenhau­s setzt eine angemessen­e Personalau­sstattung voraus“, sagt Gröhe. Nun liege es an den Krankenkas­sen und den Krankenhäu­sern, den Willen des Gesetzgebe­rs umzusetzen und die Vorgabe fristgerec­ht mit Leben zu füllen. Und auch der Gesundheit­sexperte und Fraktionsv­ize der Union, Georg Nüßlein, appelliert an die Partner der Selbstverw­altung, „in einvernehm­licher Weise die Einzelheit­en zu vereinbare­n“. Er setze darauf, „dass dies im Sinne der Patientenv­ersorgung zügig geschieht“, sagt der CSU-Politiker.

Ob dieser Appell allerdings die Beteiligte­n erreicht und umgesetzt wird, ist fraglich. Während die Gewerkscha­ft Verdi, nach deren Berechnung­en rund 70000 Stellen in der Pflege in den deutschen Krankenhäu­sern fehlen, schon seit Jahren für eine gesetzlich­e Personalbe­messung eintritt und an der Berliner Charité bei den jüngsten Tarifvergr­enze handlungen mehr Personal durchsetzt­e, hält die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft wenig von der verbindlic­hen Personalun­tergrenze. Man werde sich der Diskussion „nicht verweigern“und sich „konstrukti­v in den Prozess einbringen“, sagt Joachim Odenbach von der Krankenhau­sgesellsch­aft unserer Zeitung. „Dennoch ist festzustel­len, dass allgemeine Personalun­tergrenzen in der Pflege der falsche Weg sind.“

Der tatsächlic­he Personalbe­darf hänge vielmehr von anderen Faktoren wie den Erkrankung­en der Patienten,

Die Kliniken wehren sich gegen starre Vorgaben

dem Personalmi­x der Klinik und den baulichen Bedingunge­n in den Häusern ab. Starre Vorgaben stünden einem „flexiblen Personalei­nsatz entgegen und erschweren ein effiziente­s Personalma­nagement der Kliniken“. Zudem verweist der Interessen­verband der Krankenhäu­ser darauf, dass im Bereich der Pflege schon jetzt Fachkräfte­mangel herrsche, da der Markt leer gefegt sei. So könnten rund 10000 freie Stellen nicht besetzt werden.

Für die Gewerkscha­ft Verdi dagegen geht der Gesetzentw­urf Gröhes nicht weit genug, da er nicht klar definiere, in welchen Klinikbere­ichen Untergrenz­en festgelegt und wie die neuen Stellen finanziert werden, sagt das Bundesvors­tandsmitgl­ied Sylvia Bühler. Die Politik stehe in der Pflicht, „weil Markt und Wettbewerb alleine es nicht richten können“.

 ??  ?? Der Beruf der Krankensch­western und Krankenpfl­eger wird immer mehr zu einem Knochenjob. Lindert ein neues Gesetz die Probleme?
Der Beruf der Krankensch­western und Krankenpfl­eger wird immer mehr zu einem Knochenjob. Lindert ein neues Gesetz die Probleme?

Newspapers in German

Newspapers from Germany