Landsberger Tagblatt

Das kindgerech­te Stinkehäuf­chen

Der Illustrato­r Wolf Erlbruch erhält den hoch dotierten Astrid-Lindgren-Preis

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF Augsburg

Es war ein gutes Omen, als sich gestern im Vorbeirade­ln ein Mann bei Wolf Erlbruch für dessen schöne Kinderbüch­er bedankte. Nur wenig später traf bei dem Illustrato­ren, der die Anekdote erzählt, ein Anruf aus Stockholm ein, dass er mit dem Astrid-Lindgren-Preis 2017 ausgezeich­net werde. Unter 226 Kandidaten aus aller Welt machte der 68-jährige Autor das Rennen um einen Preis, der als einer der wichtigste­n Preise für Kinderbuch­schriftste­ller nicht nur Ehre einbringt, sondern auch großzügige 522 000 Euro.

Welches der zahlreiche­n Bücher Erlbruchs hatte der Radler wohl im Sinn, als er sich bedankte? Den Erstling „Der Adler, der nicht fliegen wollte“aus dem Jahr 1985 oder „Das Bärenwunde­r“, in dem es um die Sehnsucht nach Gemeinscha­ft und Nähe geht? Vielleicht auch „Ente, Tod und Tulpe“, in dem Erlbruch behutsam und philosophi­sch das Sterben thematisie­rt? Bestimmt kennt der Erlbruch-Fan aber „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“. Mit jenem Häufchen auf dem Kopf eines Maulwurfs wurde der gebürtige Wuppertale­r Erlbruch internatio­nal bekannt – nicht ohne damit auch Diskussion­en auszulösen, inwieweit Fäkalien und deren genauere Betrachtun­g überhaupt kinderbuch­tauglich sind.

Die verniedlic­hende Bedeutung des Begriffs „kindgerech­t“hat Erlbruch indes immer wieder in Frage gestellt. „Die meisten Kinderbüch­er sind misslungen­e Verklärung­en der eigenen Kindheit. Ich meine, dass jedes Kind Bücher verdient, die es ernst nehmen, weil jemand ihm von seiner Weltsicht erzählt. Kein Kind ist so infantil, wie oft die Dinge daherkomme­n, die Erwachsene ihm als kindgerech­t andrehen wollen“, erklärte er in einem Interview.

Wobei sich Wolf Erlbruchs Werke nie so eindeutig als Kinderbüch­er einordnen lassen – spricht er doch in Themen und Gestaltung auch Heranwachs­ende und Erwachsene an. Mit Augenzwink­ern und Humor charakteri­siert Erlbruch seine tierischen Figuren großflächi­g als Sympathiet­räger – auch wenn sie durchaus Ecken und Kanten haben. Sein hintersinn­iges Erzählen lässt oft mehrere Deutungen des Inhalts zu. „Wolf Erlbruch macht existenzie­lle Fragen für Leser jeden Alters zugänglich und handhabbar“, würdigt die Jury für den Astrid-LindgrenPr­eis den Illustrato­r und Autor.

Unverwechs­elbar ist Erlbruchs künstleris­che Bildsprach­e: Collagen in Pinsel-, Feder- und Kreidezeic­hnung. Kreativ und verfremden­d setzt er Landkarten, Pack- und japanische­s Buntpapier als Untergrund ein.

Sein Handwerk erlernte Erlbruch an der Folkwang Hochschule für Gestaltung in Essen. Als Professor für Illustrati­on kehrte er dorthin von 2009 bis 2011 zurück, nachdem er zuvor auch in Düsseldorf und Wuppertal gelehrt hatte. „Guckt euch um“, war dabei sein Ratschlag an die Studierend­en. Nur wer viel gesehen habe, könne auch gut erzählen. In diesem Sinne lud er schon einmal einen Schweinezü­chter in die Vorlesung ein, um seinen Zuhörern einen Einblick in ein anderes Leben zu geben.

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Fotos (2): dpa Ein Maulwurf ist entschloss­en, den Täter zu finden… Der Titel jenes Kinderbuch­s, das Wolf Erlbruch internatio­nal bekannt machte.
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Wolf Erlbruch

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