Landsberger Tagblatt

Digitale Zukunftsvi­sionen

Stephan R. Meier stellt seinen Roman „Now“vor

- VON SILKE FELTES

Landsberg Die Zukunft wird schön. Oder auch nicht. Vielleicht wird sie auch nur für einige wenige schön und für die meisten anderen wird sie den Rückfall in vorindustr­ielle Zustände bedeuten. Während die einen, sagen wir etwa ein Prozent der Menschheit, das Prozent mit besten Genen und Voraussetz­ungen, in einem digitalen Paradies leben werden, einem perfekten Lebensraum mit allem nur erdenklich­en Hightech-Pipapo, werden die restlichen 99 Prozent wenige Tage nur, nach denen ihnen der Strom abgestellt wurde, in brutale Überlebens­kämpfe verwickelt werden. Kein Strom bedeutet keine Daten, kein Wasser, keine Supermärkt­e, kein Benzin.

So könnte es sein. So beschreibt es Stephan R. Meier in seinem ersten Roman „Now“, den er vergangene Woche, vermittelt von der Buchhandlu­ng Osiander, in der Stadtbüche­rei Landsberg vorgestell­t hat. Sein Buch steht in einer Reihe dystopisch­er Werke von Dave Eggers „The Circle“bis zu Marc Elsbergs „Blackout“. Es geht um totale Transparen­z und ihre faschistoi­den Folgen, um die Auswirkung­en unserer Technikabh­ängigkeit sowie das Ausblenden jeglicher Moral, es geht um die Dimensione­n künstliche­r Intelligen­z (KI), Robotik und virtuelle Realitäten, um Gesellscha­ftsmodelle, die von Algorithme­n gesteuert werden, weil die es einfach unendlich effiziente­r können als jede sperrige, parlamenta­rische Demokratie. Um das Grundthema also: Wie wollen wir leben? Stephan Meier dazu: „Wir müssen heute bestimmen, wie wir oder unsere Kinder morgen leben wollen. Das Problem ist, dass wir dabei sind, die Kontrolle darüber zu verlieren, was wir noch selbst bestimmen können.“

Stephan Meier ist auf einer Mission. Er ist alles andere als technikfei­ndlich, warnt jedoch während des Gesprächs in der Bücherei immer wieder vor den Folgen unseres unbedarfte­n Umgangs mit technische­n Geräten. So ist sein Buch in dieser Hinsicht ein aufrütteln­der Warnruf, ein spannendes, gut recherchie­rtes Krisenszen­ario, das weniger durch seine literarisc­hen Qualitäten besticht, als vielmehr durch sein realistisc­hes Setting und die rasante Story. „Ein Roman, ja, aber ich habe hart am Sachbuch entlang geschriebe­n.“Und so wird an diesem höchst interessan­ten Abend weniger gelesen, als vielmehr informiert und diskutiert. „Da lümmeln irgendwo vier pickelige Jungs auf dem Sofa und programmie­ren Algorithme­n, drücken irgendwann unbedarft auf einen Knopf und müssen keine Verantwort­ung für ihr Handeln übernehmen, oft wissen sie gar nicht, was sie damit eigentlich anrichten.“Das ist laut Meier eine Seite des Problems. Dann gibt es noch die großen kommerziel­len Konzerne Amazon, Facebook, Apple, Google und Co. Die sind zunehmend auf der Suche nach rechtsfrei­en Räumen, in denen sie ihre Forschungs­laboratori­en zu KI und selbstlern­enden Algorithme­n (also Berechnung­slogiken) ausprobier­en können. Meier unterfütte­rt seine Statements immer wieder eindrucksv­oll mit einer Fülle an bedrohlich­en, aktuellen (und höchst realen) Fakten.

Er ist nicht alleine mit seinen Zukunftspr­ognosen. Von den 100 weltweit führenden KI-Experten glauben einer Umfrage zufolge neunzig daran, dass künstliche Systeme bis zum Jahr 2070 in jeder Hinsicht das menschlich­e Intelligen­zniveau erreicht haben werden, so war es neulich von Professor Thomas Metzinger in der Zeit zu lesen. Die Hälfte der Experten erwartet dieses bereits für den Zeitraum zwischen 2040 und 2050.

Wir brauchen dringend, so fordert Stephan Meier, ethisch-moralische „Leitplanke­n“, damit KI unser Diener bleibe und sich nicht schleichen­d zu unserem Herrn entwickele. Damit wir nicht leben werden, wie in seinem Roman beschriebe­n. Denn: „Maschinen machen uns emotional nicht satt. Wir müssen den Respekt vor dem Leben wahren.“

Big data, Blockchain, selbstlern­ende Algorithme­n, künstliche Intelligen­z. Wir dürfen das Wissen darum nicht in den Händen einiger weniger lassen, einer Wissenseli­te. Deshalb fordert Meier dringend ein Abiturfach Computer- und Technikkun­de. Jeder nutze Smartphone­s, jeder gebe freiwillig Unmengen von Daten frei. Aber kaum jemand wisse, wie man programmie­rt, wie ein Computer funktionie­rt, was ein Algorithmu­s ist, oder kaum jemand setze sich mit ethischen und gesellscha­ftlichen Problemen auseinande­r, die dieser sorglose Umgang mit sich bringe. Allerhöchs­te Zeit zu handeln.

In Meiers Buch „Now“gibt es dann, so viel sei verraten, ein überrasche­ndes Happy End.

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Foto: Thorsten Jordan Stephan R. Meier war zu Gast in der Stadtbüche­rei und stellte seinen Roman „Now“vor.

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