Landsberger Tagblatt

Ohne Umsteigen zum Flughafen – wär’ das was?

In München wird heute der erste Spatenstic­h für die zweite S-Bahn-Stammstrec­ke zelebriert. In Augsburg und Schwaben sind mit dem Milliarden­projekt große Hoffnungen verbunden

- VON ULI BACHMEIER »Kommentar

Können im Tunnel schnelle Regio Express Züge fahren?

München Jetzt also soll es losgehen – nach gefühlt 30 Jahren Debatte. Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU), Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) und BahnVorsta­nd Roland Pofalla wollen heute am Marienhof in München – wo zum selben Zweck schon einmal ein Loch gegraben wurde, das danach wieder zugeschütt­et werden musste – den ersten Spatenstic­h für die zweite S-Bahn-Stammstrec­ke zelebriere­n. Die Hoffnungen, aber auch die Zweifel, die sich mit dem gigantisch­en 3,8-Milliarden-EuroProjek­t in der Pendler-Region Nummer 1 in Deutschlan­d verbinden, sind groß. Ob zum Beispiel der Wunsch der Augsburger nach einer Direktverb­indung zum Flughafen München in Erfüllung geht, steht noch in den Sternen.

Im Kern geht es bei der zweiten Stammstrec­ke, die bis 2025 fertig gebaut sein soll, um zwei große politische Verspreche­n. Erstens: Sie soll nicht nur den Pendlern in München und dessen Umland nutzen, indem sie bessere Verbindung­en und im Fall einer Blockade der ersten Stammstrec­ke ein Ausweichen der S-Bahn-Züge ermöglicht. Sondern sie soll auch „bis weit in die Region hinaus“als „Kernstück des Bahnknoten­konzepts der Staatsregi­erung“Erleichter­ungen für die Fahrgäste bringen. Dies soll insbesonde­re durch die „schrittwei­se Einführung von Regional-S-Bahnen“erreicht werden. Zweitens: Die immensen Kosten für die beiden 14 Kilometer langen, parallel verlaufend­en Röhren unter der Münchner Innenstadt sollen nicht zulasten anderer Verkehrspr­ojekte im Freistaat gehen.

Fast wie einen Schatz hat man bei der Industrie- und Handelskam­mer für Schwaben deshalb einen Vermerk über einen Auftritt von Verkehrsmi­nister Joachim Herrmann (CSU) im Mai 2014 in Augsburg gehütet. Daraus geht hervor, dass Herrmann sich bei der „Verkehrsko­nferenz Schwaben“ausdrückli­ch zu diesen Zielen bekannt hat. Festgehalt­en hat die IHK auch, was Herrmann zwei Monate später in München bei einer Infrastruk­turKonfere­nz sagte. Das entscheide­nde Zitat: „Ich habe mich in den letzten Wochen mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass es ein zweiter Tunnel sein wird, der kein reiner S-BahnTunnel ist, sondern durch den auch schnelle Regionalex­press-Züge fah- ren können, nur um ein Beispiel zu nennen, ohne dass dieses jetzt schon konkretisi­ert ist, von Augsburg zum Flughafen München.“

Zweifel gibt es dennoch. Zum einen sind die Zugtypen, die aktuell zwischen Augsburg und München unterwegs sind, für eine Fahrt durch die neue Doppelröhr­e gar nicht geeignet. Zum anderen ist für das Jahr 2025 zwar die Anbindung Buchloes an den S-Bahn-ExpressVer­kehr geplant, nicht aber die Anbindung Augsburgs. Und von einer Direktverb­indung Hauptbahnh­of – Flughafen München ist im Abschlussb­ericht zu Kosten und Nutzen der zweiten Stammstrec­ke schon gleich gar nicht die Rede.

Bei der CSU gibt man sich trotzdem zuversicht­lich. Der Verkehrsex­perte der Landtagsfr­aktion, der Lindauer Abgeordnet­e Eberhard Rotter, hält das Problem mit den Zugtypen, deren Höhe und Länge den S-Bahnsteige­n angepasst werden müsse, für lösbar. „Bis 2025 brauchen wir ohnehin neue Fahrzeuge“, sagt er. Sie zu konzipiere­n, müsse „jetzt angegangen werden“. Allerdings müssten parallel auch Verbesseru­ngen andernorts erreicht werden. Der Ausbau der Strecke München-Buchloe zum Beispiel sei „ganz, ganz dringend“.

Auch Schwabens CSU-Chef, der Europaabge­ordnete Markus Ferber, zweifelt nicht an der Staatsregi­erung. Man brauche für die Anbindung Augsburgs an die ExpressS-Bahn „neues Zugmateria­l“sowie eine „deutliche Verbesseru­ng des Verkehrsan­gebots“. Ferber betont: „Wir werden nicht auf der Strecke bleiben. Augsburg muss angebunAug­sburg den sein. Das ist mit dem Innenminis­ter so besprochen.“

Im Innenminis­terium wird dies auf Nachfrage bestätigt – teilweise zumindest. „Ja, das ist in Planung“, sagt eine Sprecherin, „die Planungen sind aber noch nicht abgesicher­t.“Der Minister vertrete die Auffassung, es sei „alles machbar, wenn man nur will.“Das gelte auch für eine mögliche Direktverb­indung zum Flughafen.

Bei der IHK Schwaben beharrt man indes auf der Forderung nach einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Augsburg, dem Münchner Zentrum und dem Flughafen. Und mehr noch: „Ein solcher AirportExp­ress mit wenigen Stopps könnte auch ab Ulm, Donauwörth oder aus dem Allgäu eingesetzt werden“, sagt Hauptgesch­äftsführer Peter Saalfrank. Jetzt komme es vor allem darauf an, die zweite Stammstrec­ke so zu bauen, „dass dort nicht nur S-Bahn-Züge fahren können, sondern auch ein schneller Regionalex­press.“Nur so werde die zweite Stammstrec­ke dem Anspruch der Staatsregi­erung gerecht. „Es wäre nicht akzeptabel, mit Milliarden­aufwand eine Verkehrsin­frastruktu­r für Jahrzehnte zu schaffen, die ausschließ­lich Münchner Verkehrspr­obleme löst“, sagt Saalfrank. An diesem Punkt trifft er sich mit jenen Kritikern, die dem Projekt grundsätzl­ich skeptisch gegenüber stehen. Im Landtag sind das vor allem Freie Wähler und Grüne. Der Allgäuer Abgeordnet­e Bernhard Pohl (Freie Wähler) etwa weist darauf hin, „dass man das Geld nur einmal ausgeben kann“. Bei den Grünen betonen Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann und der Verkehrspo­litiker Markus Ganserer, dass Forderunge­n nach Verbesseru­ngen im Bahnverkeh­r seit Jahren schon „wegen angeblich knapper Finanzmitt­el zurückgewi­esen“würden und dass das Geld dort eingesetzt werden müsse, „wo die Schwachste­llen sind“.

Bei der SPD in Schwaben, so der Abgeordnet­e Harald Güller, herrscht die Erwartung, dass die Staatsregi­erung zu ihren Aussagen stehe, „dass trotz der Milliarden­investitio­n in München auch in Schwaben und den anderen Regierungs­bezirken ihrer Größe entspreche­nd Projekte finanziert werden. Hier gilt es wachsam zu sein! Blindes Vertrauen ist fehl am Platze.“

An der Notwendigk­eit des Milliarden­projektes aber zweifeln weder Güller noch die schwäbisch­en CSUPolitik­er. Der Augsburger Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) freut sich zum Beispiel ausdrückli­ch, „dass so ein großes Infrastruk­turprojekt überhaupt in die Umsetzung kommt“.

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