Keiner nuschelt so wie er
Udo Lindenberg hat bei der Echo-Preisverleihung ordentlich abgeräumt. Nicht jedem gefällt das. Und doch hat der Sänger mit Hut unzweifelhafte Verdienste
Kaum gekürt, fängt das Genöle schon an: Ja, hat das deutsche Musikbusiness für seinen Echo-Preis denn keinen Frischeren? Muss das sein, dass ein 70(!)-Jähriger als großer Gewinner aus der diesjährigen Verleihung hervorgeht, mit Auszeichnungen als bester PopKünstler, bester Produzent und für das „Album des Jahres“? Es stimmt schon, die Szene kennt Jüngere, aktuell Innovativere als den Mann mit ewiger Sonnenbrille und schwarzem Capone-Hut. Und doch gehen die Echos in Ordnung, wirken all die anderen infrage Kommenden doch ein bisschen kurz geraten gegen ihn: Udo Lindenberg, den Solitär des deutschen Pop.
Dass er es mal so weit bringen würde – und er hält diesen Status schon eine ganze Weile –, war anfangs nicht abzusehen gewesen. Gut, man horchte auf, als da 1973 dieses Album herauskam mit dem „Andrea Doria“-Song, worin von einer Kneipe namens Onkel Pö’s die Rede war und einer Rentnerband, die seit 20 Jahren Dixieland spielte. Man dachte, okay, witzig gereimt, und das krächzige Genuschel, in dem dieser Typ seine deutschen Texte vorbrachte, das war mal ein etwas anderer Sound. Aufmerksame Ohren vernahmen freilich schon damals, dass der Schlaks aus Westfalen auch feinsinnige Texte herzustellen vermochte – etwa über eine Cello spielende junge Frau – und überdies auch musikalisch was drauf hatte, was man nicht zuletzt daran merkte, dass er sich mit richtig guten Handwerkern umgab. Nach außen hin setzte Udo Lindenberg stets auf die Karte „schräger Vogel“. Das mehrte seinen Bekanntheitsgrad, der einen Höhepunkt erreichte, als er dem ehemaligen DDRStaatsratsvorsitzenden Erich Honecker ein Liedlein zwitscherte – eine sympathische Frechheit, die ihre Pointe dadurch erhielt, dass der Angesungene grünes Licht gab für einen Udo-Auftritt im Ostberliner Palast der Republik. Erfolge wie diesen bewahrten Lindenberg allerdings nicht vor Abstürzen. Er erlitt einen Herzinfarkt, hatte mit den Folgen von Alkohol und Drogen zu kämpfen. Aber er fing sich immer wieder, machte unverdrossen weiter Musik, engagierte sich zunehmend gesellschaftlich, etwa in der Initiative „Rock gegen Rechts“. Und blieb dabei stets er selbst, der Nuschler unter der bis zu den Augen gezogenen Hutkrempe. Irgendwann war er zur Marke geworden, die selbst von denen respektiert wurde, die diese Art von Text und Musik nicht wirklich mögen.
Udo Lindenberg, der seit Jahrzehnten als Dauergast im Hamburger Nobelhotel Atlantic wohnt und eine Fotografin zur Lebensgefährtin hat, ist ein Phoenix, ein Meister des Wiederaufstehens. 2008 landete er, den man schon in Altersruhe wähnte, mit dem Album „Stark wie zwei“einen Coup, vor dem die Kritiker die Knie beugten. Im Nachfolger „Stärker als die Zeit“, der jetzt den Echo-Ritterschlag erhalten hat, fallen die Worte: „Ich werde mich nie ändern, habe tausend Pläne …“Kein Zweifel, Udo Lindenberg muss man weiterhin auf der Rechnung haben.