Landsberger Tagblatt

Keiner nuschelt so wie er

Udo Lindenberg hat bei der Echo-Preisverle­ihung ordentlich abgeräumt. Nicht jedem gefällt das. Und doch hat der Sänger mit Hut unzweifelh­afte Verdienste

- Stefan Dosch Foto: imago

Kaum gekürt, fängt das Genöle schon an: Ja, hat das deutsche Musikbusin­ess für seinen Echo-Preis denn keinen Frischeren? Muss das sein, dass ein 70(!)-Jähriger als großer Gewinner aus der diesjährig­en Verleihung hervorgeht, mit Auszeichnu­ngen als bester PopKünstle­r, bester Produzent und für das „Album des Jahres“? Es stimmt schon, die Szene kennt Jüngere, aktuell Innovative­re als den Mann mit ewiger Sonnenbril­le und schwarzem Capone-Hut. Und doch gehen die Echos in Ordnung, wirken all die anderen infrage Kommenden doch ein bisschen kurz geraten gegen ihn: Udo Lindenberg, den Solitär des deutschen Pop.

Dass er es mal so weit bringen würde – und er hält diesen Status schon eine ganze Weile –, war anfangs nicht abzusehen gewesen. Gut, man horchte auf, als da 1973 dieses Album herauskam mit dem „Andrea Doria“-Song, worin von einer Kneipe namens Onkel Pö’s die Rede war und einer Rentnerban­d, die seit 20 Jahren Dixieland spielte. Man dachte, okay, witzig gereimt, und das krächzige Genuschel, in dem dieser Typ seine deutschen Texte vorbrachte, das war mal ein etwas anderer Sound. Aufmerksam­e Ohren vernahmen freilich schon damals, dass der Schlaks aus Westfalen auch feinsinnig­e Texte herzustell­en vermochte – etwa über eine Cello spielende junge Frau – und überdies auch musikalisc­h was drauf hatte, was man nicht zuletzt daran merkte, dass er sich mit richtig guten Handwerker­n umgab. Nach außen hin setzte Udo Lindenberg stets auf die Karte „schräger Vogel“. Das mehrte seinen Bekannthei­tsgrad, der einen Höhepunkt erreichte, als er dem ehemaligen DDRStaatsr­atsvorsitz­enden Erich Honecker ein Liedlein zwitschert­e – eine sympathisc­he Frechheit, die ihre Pointe dadurch erhielt, dass der Angesungen­e grünes Licht gab für einen Udo-Auftritt im Ostberline­r Palast der Republik. Erfolge wie diesen bewahrten Lindenberg allerdings nicht vor Abstürzen. Er erlitt einen Herzinfark­t, hatte mit den Folgen von Alkohol und Drogen zu kämpfen. Aber er fing sich immer wieder, machte unverdross­en weiter Musik, engagierte sich zunehmend gesellscha­ftlich, etwa in der Initiative „Rock gegen Rechts“. Und blieb dabei stets er selbst, der Nuschler unter der bis zu den Augen gezogenen Hutkrempe. Irgendwann war er zur Marke geworden, die selbst von denen respektier­t wurde, die diese Art von Text und Musik nicht wirklich mögen.

Udo Lindenberg, der seit Jahrzehnte­n als Dauergast im Hamburger Nobelhotel Atlantic wohnt und eine Fotografin zur Lebensgefä­hrtin hat, ist ein Phoenix, ein Meister des Wiederaufs­tehens. 2008 landete er, den man schon in Altersruhe wähnte, mit dem Album „Stark wie zwei“einen Coup, vor dem die Kritiker die Knie beugten. Im Nachfolger „Stärker als die Zeit“, der jetzt den Echo-Ritterschl­ag erhalten hat, fallen die Worte: „Ich werde mich nie ändern, habe tausend Pläne …“Kein Zweifel, Udo Lindenberg muss man weiterhin auf der Rechnung haben.

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