Landsberger Tagblatt

Die Menschheit dopt seit Jahrtausen­den

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger allgemeine.de

Plötzlich standen die Kontrolleu­re vor der Tür. Damit hatte Jemima Sumgong nicht gerechnet, denn sonst hätte sie die morgendlic­he Epo-Dosis wohl weggelasse­n. Wenn es stimmt, was gestern durchsicke­rte, wurde die kenianisch­e Marathon-Olympiasie­gerin bei einer Trainingsk­ontrolle positiv getestet. Noch fehlt zwar eine Bestätigun­g des Leichtathl­etik-Weltverban­des, dieser hat aber ein Verfahren gegen Sumgong eingeleite­t.

Der Fall reiht sich ein in eine Flut vergleichb­arer Nachrichte­n der vergangene­n Wochen. Doping überall. Seien es die beiden Studien, die sich mit dem weitverbre­iteten Doping im Westdeutsc­hland des Kalten Krieges beschäftig­en. Seien es Recherchen zu den lächerlich laxen Kontrollen im Profi-Fußball. Oder seien es die Nachrichte­n über vertuschte Funde bei jamaikanis­chen Sprintern. Dazu kommen fast täglich Namen von Sportlern, denen ihre Olympia-Medaillen aberkannt werden. Das IOC lässt derzeit über 1500 Proben der Olympische­n Spiele von Peking (2008) und London (2012) nachkontro­llieren. Was damals noch nicht auffiel, wird jetzt gefunden.

Was in dieser Dopingflut jeden Tag ein bisschen mehr schwindet, ist der naive Glaube an einen sauberen Sport. Dabei hat es den ohnehin nie gegeben. Die Menschheit dopt seit Jahrtausen­den. Im antiken Griechenla­nd verspeiste­n die Athleten Stierhoden, um ihren Testostero­nspiegel zu erhöhen – später wurden daraus anabole Steroide. Die Botenläufe­r der Inka kauten munter Kokablätte­r auf ihren Läufen quer durch die Anden Südamerika­s.

Derartige Beispiele gibt es viele. Sie zeigen: Sobald ein Mittelchen eine Leistungss­teigerung verspricht, wird es genutzt. Das ist zutiefst menschlich. So mancher Bürohengst käme ohne den Koffeinsch­ub eines morgendlic­hen Kaffees nur schwerlich in die Gänge. Im Wettstreit mit der eigenen Schläfrigk­eit ist die Wahl der Mittel natürlich jedem selbst überlassen, auch wenn manchmal schon eine verlängert­e Nachtruhe helfen würde. Im Sport allerdings ist daraus ein selbstzers­törerische­r Massentren­d geworden. Was hilft, wird genommen. Fairness und Gesundheit bleiben gleicherma­ßen auf der Strecke, denn viel zu selten stehen die Kontrolleu­re zur richtigen Zeit vor der richtigen Türe.

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