Die Menschheit dopt seit Jahrtausenden
Plötzlich standen die Kontrolleure vor der Tür. Damit hatte Jemima Sumgong nicht gerechnet, denn sonst hätte sie die morgendliche Epo-Dosis wohl weggelassen. Wenn es stimmt, was gestern durchsickerte, wurde die kenianische Marathon-Olympiasiegerin bei einer Trainingskontrolle positiv getestet. Noch fehlt zwar eine Bestätigung des Leichtathletik-Weltverbandes, dieser hat aber ein Verfahren gegen Sumgong eingeleitet.
Der Fall reiht sich ein in eine Flut vergleichbarer Nachrichten der vergangenen Wochen. Doping überall. Seien es die beiden Studien, die sich mit dem weitverbreiteten Doping im Westdeutschland des Kalten Krieges beschäftigen. Seien es Recherchen zu den lächerlich laxen Kontrollen im Profi-Fußball. Oder seien es die Nachrichten über vertuschte Funde bei jamaikanischen Sprintern. Dazu kommen fast täglich Namen von Sportlern, denen ihre Olympia-Medaillen aberkannt werden. Das IOC lässt derzeit über 1500 Proben der Olympischen Spiele von Peking (2008) und London (2012) nachkontrollieren. Was damals noch nicht auffiel, wird jetzt gefunden.
Was in dieser Dopingflut jeden Tag ein bisschen mehr schwindet, ist der naive Glaube an einen sauberen Sport. Dabei hat es den ohnehin nie gegeben. Die Menschheit dopt seit Jahrtausenden. Im antiken Griechenland verspeisten die Athleten Stierhoden, um ihren Testosteronspiegel zu erhöhen – später wurden daraus anabole Steroide. Die Botenläufer der Inka kauten munter Kokablätter auf ihren Läufen quer durch die Anden Südamerikas.
Derartige Beispiele gibt es viele. Sie zeigen: Sobald ein Mittelchen eine Leistungssteigerung verspricht, wird es genutzt. Das ist zutiefst menschlich. So mancher Bürohengst käme ohne den Koffeinschub eines morgendlichen Kaffees nur schwerlich in die Gänge. Im Wettstreit mit der eigenen Schläfrigkeit ist die Wahl der Mittel natürlich jedem selbst überlassen, auch wenn manchmal schon eine verlängerte Nachtruhe helfen würde. Im Sport allerdings ist daraus ein selbstzerstörerischer Massentrend geworden. Was hilft, wird genommen. Fairness und Gesundheit bleiben gleichermaßen auf der Strecke, denn viel zu selten stehen die Kontrolleure zur richtigen Zeit vor der richtigen Türe.