Die letzte Bastion
Es gibt nicht mehr viele Orte, an denen man noch rauchen darf. Der Balkon gehört dazu – doch auch hier gibt es Ausnahmen
Trotz sinkender Zahlen greifen in Deutschland noch immer rund 30 Prozent der Erwachsenen regelmäßig zum Glimmstängel. Die Raucherquote macht bei Männern 33 und bei Frauen 27 Prozent aus. Ungefähr ein Viertel davon gelten als „starke Raucher“– sie konsumieren täglich 20 oder mehr Zigaretten. Aber wo dürfen Mieter und Hauseigentümer ihrer glühenden Leidenschaft eigentlich noch nachgehen?
Während das Rauchen in zahlreichen Gebäuden wie Rathäusern, Ämtern, Bahnhöfen oder Gaststätten schon längst nicht mehr erlaubt ist, darf man in der eigenen Wohnung selbstverständlich genüsslich qualmen. In einer Mietwohnung gehört das zum vertragsgemäßen Gebrauch. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) schon mehrfach klargestellt.
Lediglich exzessives Rauchen fällt nicht mehr darunter, wenn sich der Zustand der Wohnung dadurch derart verschlechtert, dass die normalen Schönheitsreparaturen – also Tapezieren und Streichen – nicht mehr ausreichen, um die Spuren zu beseitigen. In diesem Fall ist der Mieter dem Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet (BGH, Az.: VIII ZR 37/07). Da hilft auch ein Rauchver- bot im Mietvertrag nichts. Sofern sich dieses auf die Wohnung bezieht, wird es in einem formularmäßigen Mietvertrag als unwirksam erachtet.
Durch ein solches Verbot wird in die persönliche Lebensgestaltung des Mieters eingegriffen. Und damit die Möglichkeit, sein Leben innerhalb seiner Wohnung nach seinen Vorstellungen zu gestalten, so schwerwiegend beeinträchtigt, dass seine Nutzungs-und Gebrauchsrechte aus dem Mietvertrag gefährdet sind. Allerdings haben einige Gerichte schon entschieden, dass individuell ausgehandelte Nichtraucherklauseln durchaus wirksam sind.
In den Gemeinschaftsräumen von Wohnhäusern, wie Treppenhaus, Keller oder Dachboden, kann allerdings ein Verbot ausgesprochen werden. Denn hier sind, im Gegensatz zum Wohnbereich, schutzwürdige Rechte Dritter – insbesondere von Nichtrauchern – zu respektieren.
Aber was ist auf dem Balkon einer Wohnung zu beachten? Schließlich gehört er zur Wohnung wie die Küche oder das Wohnzimmer. Hier darf sich ein Raucher ganz zu Hause fühlen. Allerdings endet sein Recht auf freie persönliche Lebensgestaltung, sobald andere Mieter gestört werden. In einem Fall, der vor Gericht landete, ging es um zahlreiche Zigaretten, die ein Ehepaar täglich auf dem Balkon ihrer Wohnung rauchte. Der hochziehende Qualm belästigte die darüber wohnenden Nachbarn in dem Mehrfamilienhaus. Nachdem sie mit ihrer Klage zweimal gescheitert waren, hat der BGH den Nachbarn grundsätzlich recht gegeben: Mietern darf das Rauchen auf dem Balkon zeitweise eingeschränkt werden. Am besten man einigt sich gemeinsam auf Rauch- und rauchfreie Zeiten (BGH, Az.: V ZR 110/14).
Vermieter müssen allerdings davon ausgehen, dass Mieter ihre Zahlungen kürzen, wenn die Nachbarn auf dem Balkon übermäßig rauchen. Das wurde bereits von vielen Gerichten bestätigt. In einem konkreten Fall etwa minderten die Bewohner einer Dachgeschosswohnung ihre Miete wegen rauchender Mitbewohner des Hauses, da der Qualm durch die geöffneten Fenster in die Wohnung eindrang. Der Vermieter erkannte die Minderung nicht an und verlangte die vollständige Zahlung. Das angerufene Gericht entschied schließlich zugunsten des Mieters.
Schon bei 20 bis 24 Zigaretten pro Tag, die Nachbarn auf dem Balkon rauchten, hielten Hamburger Richter eine Minderungsquote von fünf Prozent für angemessen (LG Hamburg, Az.: 311 S 92/10). Sogar zehn Prozent Minderungsquote gab es für die klagenden Mitmieter vor dem Landgericht Berlin. Grund: Sie hätten im Sommer ihre Wohnung nicht mehr lüften können, weil der darunter wohnende Mieter exzessiv – sprich mehrmals pro Stunde – auf seinem Balkon seinem Laster nachgab und die darüberliegende Wohnung verqualmte (Az.: 67 S 307/12).
Zwar müssen sich Immobilieneigentümer, die in ihren eigenen vier Wänden rauchen, darum keine Sorgen machen. Dennoch weist der Eigentümerverband Haus & Grund auf nachbarschaftsrechtliche Fragen hin, die entstehen, wenn zum Beispiel der Nachbar in der Doppelhaushälfte ständig auf der Terrasse raucht. Ob Kläger sich vor Gericht durchsetzen können, bleibt ungewiss. Richter wiesen bereits darauf hin, dass Nachbarn mit ihren Klagen keine Chance haben, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen „nach dem Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen“nur unwesentlich sind. Gütliche Einigungen zwischen Nachbarn sollten dann eigentlich möglich sein.