Landsberger Tagblatt

Das Brautkleid verkaufen?

- CONTRA BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Eigentlich müsste das reichen: Nein, ich verkaufe mein Brautkleid nicht. Denn wer anfängt, nüchtern zu überlegen, warum man ein Stückchen Stoff 30 Jahre lang im Schrank hängen lässt, der hat die Anzeige in Ebay wohl schon im Kopf. Natürlich könnte ich den Platz im Schrank besser nützen. Natürlich passe ich längst nicht mehr in das Kleid hinein. Ein paar gelbe Stockfleck­en hat es auch schon. Und mit dem Verkaufser­lös hätte ich mir schöne Kleider kaufen können, die ich täglich anziehen kann. Anderersei­ts habe ich es auch nicht eingefärbt und zum Ballkleid umfunktion­iert. Es ist immer Hochzeitsk­leid geblieben, und ich habe es genau einen Tag getragen.

Ich möchte den Zauber nicht missen, der sich auf einmal im Keller ausbreitet, wenn ich im Schrank stöbere: die Erinnerung an die Vorbereitu­ngen, die für diesen Tag getroffen wurden, und dazu gehörte auch die Wahl des Brautkleid­es – zwar von der Stange, aber wie für mich gemacht; die Erinnerung an die junge Frau, die ich damals war; die Erinnerung an die Gedanken und Träume, die sich mit dem Anlass für das Kleid verbanden.

Argumente sind es also nicht, die dafür sprechen, dass ich mein Brautkleid bis heute behalten habe. Es geht allein um ein Gefühl. Diese Kleid gehört zu mir und zu einem entscheide­nden Teil meines Lebens. Und das soll ich auf einmal jemand anderem überlassen? Lieblingst­eddys aus der Kindheit sitzen schließlic­h auch noch zuhauf auf Regalen und Sofakissen herum, ohne täglich gekuschelt zu werden, einfach weil sich ein Gefühl ans Kindsein verbindet.

Wer sein Brautkleid verscherbe­lt, kann eigentlich gleich darauf verzichten, eines zu kaufen. Für den ist der Traum in Weiß ein Kleid wie jedes andere.

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