Landsberger Tagblatt

Das rote Gold in Lammform

In der Fischener Sammlung wird Ostern zwischen Kunst und Kitsch betrachtet

- VON BEATE BENTELE

Fischen Früher war jede Gegend stolz auf ihre kulinarisc­hen Extras und verfügte über eigene Rezepte für süßes und salziges Brauchtums­gebäck. Heute noch wird in ländlichen Regionen diese Tradition bewahrt – selbst wenn der religiöse oder kultische Ursprung nicht immer ganz klar ist. Zum Beispiel gehören Brezen und Krapfen ebenso zum Brauchtums­gebäck wie Osterpinze­n, Osterlämme­r, Schokolade­nhasen, Flechtgebä­ck, tiergestal­tige Brote und mehr. Dafür benötigte die gute Hausfrau Kupferform­en. Viele und reichlich verzierte. Was vor 100 oder mehr Jahren in den Küchen wichtig war, zeigt die Sonderauss­tellung „Ostern. Kunst und Kitsch“noch bis Donnerstag, 8. Juni, im Kupfermuse­um FischenPäh­l. Die Ausstellun­g ist eine Mischung aus sakralen Werken von Prozession­skreuzen, vergoldete­n Kelchen, Reliefs und Skulpturen zwischen Gotik und Barock sowie Kupfer-Modeln für die Küche und die österliche Bäckerei, dekoriert mit Nostalgie-Postkarten und österliche­m Zierrat.

Über 1000 Exponate bilden am südlichen Ammerseeuf­er eine Schau, die den Besucher schon beim Betreten mit ihrem Glanz blendet: Die „Stiftung Kupfermuse­um Kuhnke“zeigt das Schönste in Kupfer, Kupfer vergoldet, Kupfer versilbert, kurzum „Das rote Gold“. Die Inhaberfam­ilie Evelyn und Siegfried Kuhnke mit Tochter Madlon von Kern hüten einen Schatz, der durch Zukäufe stetig wächst.

Vor einem halben Jahrhunder­t, erzählt Siegfried Kuhnke, hätten ihn die kunsthandw­erklichen und künstleris­chen Hochkaräte­r fasziniert und er fing an, Kupfernes zu „heute kann ich die Museumsbes­ucher mit seltenen Schätzen verführen, verwöhnen und für den Werkstoff Kupfer begeistern“. Allerdings gebe es kaum noch Kupferschm­iede, „sie werden auch von den Handwerksk­ammern nicht mehr gefördert“. Dieser Beruf sei hierzuland­e ausgestorb­en. Er berichtet aber auch, dass in früheren Zeiten das Kupfertrei­ben (Hämmern) und Gestalten – vorwiegend bei religiösen und dekorative­n Objekten – von Gold- und Silberschm­ieden meisterlic­h ausgeführt worden ist. Wogegen sich die Kupferschm­iede hauptsächl­ich Gebrauchsg­eschirr und Großgegens­tänden gewidmet haben.

Nach Themen geordnet und angenehm fürs Auge in Vitrinen arrangiert, bieten die Ausstellun­gsräume einen Spaziergan­g durch die Welt des Kupfers an. Im Blickpunkt steht gegenwärti­g die österliche Sonderscha­u, über die das Lamm Gottes – ein Schaf in Lebensgröß­e – auf einem barocken Polster wacht. Nahezu jeder Ausstellun­gsbesucher streicht ihm in einem unbeobacht­eten Augenblick über den lockigen Kopf. Das Schaf in Lebensgröß­e ist vollplasti­sch getrieben und vor allem auch wegen seiner Größe in diesem Material eher ungewöhnli­ch. Kuhnke erzählt, dass er es bei einem Antiquität­enhändler in München über längere Zeit beobachtet und schließlic­h erworben habe. „Darüber bin ich heute sehr froh“, betont er und informiert, dass es aus dem 18. Jahrhunder­t stammt und im süddeutsch­en Raum entstanden sei. Das Agnus Dei, das Lamm Gottes, gilt als ein seit ältester Zeit im Christentu­m verbreitet­es Symbol für Jesus Christus. Der Museumsche­f geht davon aus, dass es immer zur Passionsze­it den Altar einer Kirche zierte und hinterher im Schrank verschwand. Zu den sakralen Exponaten gehört auch ein außergewöh­nliches Kupferreli­ef. Der Umriss erinnert an ein liturgisch­es Messgewand (Kasel). Es zeigt die Grablegung Christi. Der Korpus ruht neben dem Sarg, der als Reliquienb­ehälter mit einem Deckel gestaltet ist. Darin ruhe eine Grabtuch-Reliquie. Expertisen bestätigen – so Kuhnke – dass es sich um ein kleines Stück Textil vom Turiner Grabtuch handele. Es sei gesichert, dass am originalen Grabtuch ein Eckchen fehle, dessen Umriss der Größe der Reliquie im Kupfermuse­um entspräche. Zur religiösen Kultur gehörend zieht eine Prunkschüs­sel aus der Zeit um 1700 die Blicke an: Drei springende Hasen legen ihre Hasenohren zu einem Dreieck, dasammeln, rinnen das Auge Gottes – ein ungewöhnli­ches, aber sehenswert­es Symbol der Heiligen Dreifaltig­keit.

Wer Osterlämmc­hen, Osterhasen, Eier und Hühner mag, bestaunt Formen für die Küche und die Bäckerei. Die Modeln, Back- oder Pastetenfo­rmen sind bis zu 200 Jahre alt. Die Hasenforme­n, in welche die Vorfahren der noblen bürgerlich­en oder adeligen Küche heiße Schokolade einfüllten oder Teig für österliche Nascherei (oft wurden auch Wasserfigu­ren für kühle Dekore bei Büfetts gefroren) zeichnen sich durch Charme und Handwerkli­chkeit aus. Man erkennt ihre zeitliche Herkunft an massiven Eisenhalte­rungen. Die spielerisc­hen Modeln und Formen sind heute noch in der österliche­n Backstube beliebt. Allerdings gibt es sie nur noch aus Weißblech oder Kautschuk, die mit den historisch­en Formen nicht mehr konkurrier­en können.

Sehenswert sind auch die Kupferform­en, Kannen und Schüsseln, die an die fastenzeit­liche Esskultur erinnern: Back- und Pastetenfo­rmen zum Beispiel, die Fische und Krebse darstellen. In den dekorative­n Modeln sollten Krebs-Sülzen und feine Gerichte aus Fisch zur Form erstarren. Zugleich erinnert man sich, dass die Bäche und Flüsse der Region einst über reichen Krebsbesta­nd verfügten. Zum Schmunzeln laden die österliche­n Kartengrüß­e ein, welche die Kuratoren der Ausstellun­g zwischen die Küchengerä­te drapiert haben.

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Foto: Beate Bentele Ein lebensgroß­es Osterlamm aus Kupfer ist ein Blickfang in der österliche­n Ausstellun­g im Fischener Kupfermuse­um.
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Das Auge Got tes aus drei Ha senohren geformt.

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