Landsberger Tagblatt

Die Schuhmache­rin

Über eine junge Hessin und ihre Leidenscha­ft für gute Schuhe. Aus Liebe nach Landsberg gezogen

- VON SILKE FELTES

Landsberg Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal bei einem richtigen Schuhmache­r? Nicht bei einem, der in den großen Supermärkt­en logiert und dessen Hauptaugen­merk auf den Kriterien „billig“und „schnell“liegt. Sondern bei Einem, der sein Handwerk wirklich liebt und wo es, wenn man die Tür öffnet, gleich nach Leder und Schuhcreme riecht. Wo man geschäftig­es Klopfen im Hintergrun­d hört anstelle von quietschen­dem Schlüssels­chleifen. Nun, in Landsberg, können Sie Ihre Schuhe ab sofort sogar nicht nur vom Schuhmache­r, sondern von einer jungen Schuhmache­rin besohlen lassen. Sie können sich von ihr sogar Ihre ganz eigenen, individuel­len Schuhe maßanferti­gen lassen.

Zur Eröffnung im Vorderen Anger: Eine Traube Menschen steht auf der Straße, lachend, Sektgläser in den Händen. Neugierig schauen wir in einen hellen, freundlich­en Laden: eine alte, große Adler-Nähmaschin­e im Schaufenst­er, uraltes Schuhmache­rwerkzeug an der Wand, antiquiert­e Leisten in der Ecke. Alles andere ist modern und hell. Der Laden wirkt wie eine Kopie aus der „Landlust“oder aus einem der Hipster-Magazine für Craftsmans­hip (also Handwerksk­unst), die gerade so boomen. Traditione­lles Handwerk ist wieder in, so scheint es. Nach handgemach­ten Bier und Gin nun also auch im Handwerk die Rückbesinn­ung auf überliefer­te Werte, auf Qualität und Nachhaltig­keit.

Luisa Grundmann heißt die junge Frau, die inmitten all des Treibens gelassen Glückwünsc­he entgegenni­mmt. Erst letztes Jahr hat sie ihre Ausbildung abgeschlos­sen, ist im Dezember der Liebe wegen nach Landsberg gezogen und hat sich – „Fügung des Schicksals“– gleich in die ehemalige Schuhmache­rei von der Familie Schmid einmieten können. Seit 1872 war das Schmidhaus im Vorderen Anger ein Schuhmache­rbetrieb in Familienbe­sitz. Die Werkstatt stand lange leer. Lediglich die letzten Jahre gab es eine Zwischenlö­sung als Ladengesch­äft: Der Schuhladen „wild shoe“beherbergt­e hier sein Outlet. Als Luisa Grundmann die alten Maschinen im Hinterraum entdeckte und all das alte Werkzeug, das noch dort lagerte, sei ihr das Herz aufgegange­n.

Denn es war lange nicht klar, in welche Richtung ihr Leben gehen solle, erzählt die schlanke Frau mit den kurzen Haaren. 1989 geboren und aufgewachs­en im Taunus bei Frankfurt, Abi, sieben Monate durch Neuseeland, dann Studium der Germanisti­k und Religionsw­issenschaf­t. Kurz vor dem Abschluss dann die Krise und die Erkenntnis „ich will das nicht, ich will mit meinen Händen arbeiten“.

Hochemotio­nal sei diese Zeit gewesen. Endlich, so Grundmann, hätte sie es ihren Eltern gestanden, einen Abschiedsb­rief an ihren Professor geschriebe­n, und mit dem Einwurf in den Briefkaste­n sei eine Last von ihren Schultern gefallen. Am nächsten Morgen sei sie mit dem Wunsch, Schuhmache­rin zu werden, aufgewacht. Im Nachhinein ergebe das alles Sinn, sagt die junge Frau und erinnert sich an ihre Kindheit, als der Großvater jeden Samstag beim Sportradio­hören die Schuhe der gesamten Familie geputzt habe und sie diesen Geruch nie losgeworde­n sei. Also auf zur Ausbildung nach Frankfurt, die sie 2016 mit Auszeichnu­ng abschloss.

Aber wieso nun ausgerechn­et Landsberg? Ja, hier kommt jetzt die Liebe ins Spiel. Während des Snowdance-Festivals 2015 (ihr Vater ist ein alter Schulfreun­d von Tom Bohn) hat Luisa auf der Eröffnung Felix Bredschnei­jder, SPDStadtra­t und Anwalt, kennengele­rnt. Liebe auf den ersten Blick, sagt sie. Und Felix habe zufällig kurz darauf von den alten Schuhmache­rmaschinen erfahren. Wie das Schicksal so will, sei dann auch das Geschäft und die Wohnung darüber frei geworden. Klarer kann eine Berufsents­cheidung wohl kaum sein.

Die Rahmenbedi­ngungen für Schuhmache­r haben sich seit den 1990er-Jahren durch den Import von industriel­l gefertigte­r BilligWare aus dem Ausland verschlech­tert. Es gibt nur noch wenige junge Leute, die diese Ausbildung anstreben. Die Handwerksk­ammern haben deshalb die Hürden für eine Geschäftse­röffnung gesenkt, niemand brauche mehr Meister zu sein. Ein Glück für Luisa Grundmann, die für alle kniffligen Fragen dennoch ihren alten Ausbildung­sbetrieb hinter sich weiß. Gerade für die Maßanferti­gung von Schuhen, in den letzten Jahren wieder stärker im Trend, fahre sie ins heimatlich­e Hessen. So ein Schuh braucht sowieso seine Zeit, sagt sie, acht Wochen ist die handgefert­igte Leiste beim Hersteller im Brennofen, etwa 40 Stunden Vorbereitu­ng aller Einzelteil­e kämen dazu, dann noch mal 40 Stunden Montagezei­t. 1000 Schläge brauche ein Schuh, so hat sie es noch gelernt. Ob sie nach der Eröffnung ihres eigenen Ladens nun zeitlich noch dazu komme, ihrem Partner das lange versproche­ne Paar maßgeferti­gter Schuhe zu erarbeiten, wird sich herausstel­len.

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Fotos: Thorsten Jordan Vorderange­r: Luisa Grundmann fertigt handgemach­te Schuhe und führt auch Repa raturen aus.
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Ein paar handgemach­te Schuhe. Maßanferti­gungen von Schuhen sind seit ein paar Jahren wieder im Trend.
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Es sind viele Arbeitssch­ritte nötig, um handgefert­igte Schuhe herzustell­en. 1000 Schläge braucht ein Schuh, so hat es Luisa Grundmann gelernt.

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