Andächtige Erwartung
Andreas Kloker präsentiert seine vorösterliche Elementar Zeichnung
Schondorf Es ist einfach nur still im Raum. Alle sitzen in andächtiger Erwartung. Endlich erhebt sich der Künstler und tritt an die übergroßen Schiefertafeln. Er stellt sich auf einen Tritt und malt. Malt mit weißer Kreide nicht enden wollende Linien und lässt eine Figur entstehen. Erst eine, dann eine Zweite. Dann besprüht er die mittlere Tafel großflächig mit Wasser und bearbeitet sie mit den Fingerkuppen. Ein Gesicht erscheint, oder ist es ein Gestirn? Vieles lässt sich dort hineininterpretieren. Doch allzu viel Zeit bleibt dem Betrachter nicht, denn alles auf der Tafel verschwindet wieder, ist nur flüchtig, vergeht, verdunstet im Raum. Der Künstler ist kein anderer als Andreas Kloker. Seine Elementar Zeichnungen im Schondorfer Studio Rose sind schon lange Tradition. Seit nunmehr fast 20 Jahren lädt er dazu ein. Auch in diesem Jahr sind es in der Karwoche wieder drei Termine.
Immer wieder hält Kloker inne, lässt Ulrich Hohmanns meditative Klänge an E-Gitarre, Maultrommel und Percussion und seine vergehende Kunst auf das Publikum wirken. Und dieses folgt ihm. Rührt sich nicht, lässt keinen Husten, kein Räuspern ertönen. „Einmal da hörte ich ihn, da wusch er die Welt, ungesehen, nachtlang, wirklich. Eins und unendlich, vernichtet, ichten. Licht war. Rettung“, schreibt Kloker, der sich selbst als Kalligraf und Plastiker bezeichnet, mit wassernassem Pinsel auf den Schiefer. Das Zitat stammt nicht von ihm. Es ist von Paul Celan. Die Buchstaben zerlaufen, alles fließt und verflüchtigt sich schließlich. Dann entstehen Kreise, in denen Figuren zu tanzen scheinen. In der Mitte eine korpulente Gestalt, fast einer Karikatur gleich, mit übergroßen Ohren. Gedankenströme entfliehen dem feisten Kopf, die dürren Gestalten um ihn herum. Eine Anspielung auf den Zustand unserer Welt? Auf arm und reich, auf dick und dünn? Dem Betrachter bleibt viel Raum für eigene Auslegungen.
Klokers Werkzeuge sind dicke Quasten, Pinsel aller Art, großflächige Putzfeudel und umfunktionierte, breite Besen, aber auch Schablonen aus dünnem Schaumstoff. Zu den weiteren Utensilien zählen ein schwarzer Gummibottich mit Wasser sowie ein Ventilator. Auch wenn viele Elemente seiner Performance dem Zufall überlassen scheinen, so liegt der ganzen Veranstaltung doch ein fester Ablauf, ja eine Choreografie zugrunde. Knapp eine Stunde dauert das Schauspiel zu Hohmanns feinsinniger musikalischer Untermalung. Auf den riesigen, 3,50 Meter hohen Tafeln, die an die Fenster des Studios angelehnt sind, entstehen Figuren, Gesichter, Linien, manches ganz abstrakt, manches ganz konkret mit klaren Konturen. Immer wieder verschwinden sie, weil sie verdunsten oder weil Kloker sie wegwischt, mit „Wasser übermalt“und neues entstehen lässt. Ein ewiger Prozess, dem man beinah ewig folgen möchte.
Doch nach einer knappen Stunde ist schließlich Schluss. „20.52 Schondorf 2017“schreibt Kloker noch. Dann langer Beifall und die Aufforderung zu einer Zugabe. Doch Kloker lädt zu Wein, Wasser und Brot ein. Auch das ganz traditionell. „Eine meiner Haupttätigkeiten ist ja das Brotbacken“, erläutert der Künstler all denjenigen, die es noch nicht wissen sollten. Seit mehr als dreißig Jahren backt Kloker auf seinem Grundstück in Schondorf Brot für Freunde. Auch das versteht der 1948 am Westufer des Ammersees geborene Kloker als Teil seiner Lebenskunst.
Andreas Kloker Elementar Zeichnung ist noch am heutigen Donnerstag, 13. April, um 20 Uhr im Studio Rose, Bahnhofstraße 35 zu sehen.