Wenn die Grenzen überschritten werden
In Landsberg gibt es eine neue Fachstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs. Wie Betroffene Hilfe finden
Sexueller Missbrauch hat viele Gesichter. Die Bandbreite reicht von verbalen Belästigungen, zum Beispiel auch im Internet, über „flüchtige“Berührungen bis hin zu sexuellen Handlungen. Doch wohin wenden sich Betroffene? Rat und Hilfe finden sie ab sofort bei der Fachstelle für sexuellen Missbrauch im SOS-Familien- und Beratungszentrum in der Spöttinger Straße 4. Dort steht Bianca Karlstetter allen Ratsuchenden und ihren Angehörigen zur Seite – und berät auch Fachleute, die mit diesem Thema konfrontiert werden.
„Endlich gibt es so eine Stelle.“Diesen Satz hört Bianca Karlstetter seit Monaten von Betroffenen, aber auch von Therapeuten, Beratern und pädagogischen Einrichtungen, bei denen sie sich vorgestellt hat. Anfang April fiel der offizielle Startschuss für die Fachstelle, die zum größten Teil das Amt für Jugend und Familie Landsberg finanziert. Dort berät, begleitet und betreut sie nun Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre sowie deren Angehörige. An oberster Stelle steht für die Sozialpädagogin der Schutz des Opfers vor weiteren Übergriffen. Dann geht es vor allem darum, Ruhe in die Situation zu bringen, nachdem die „Bombe geplatzt“ist, also das Kind oder der Jugendliche sich jemandem anvertraut hat. Für die Opfer ist es entscheidend, dass ihnen geglaubt wird und ihnen eine verlässliche Vertrauensperson – Bianca Karlstetter unterliegt der Schweigepflicht – zur Seite steht. Gemeinsam werden die nächsten Schritte überlegt und be- sprochen, wobei eine Anzeige bei der Polizei nicht unbedingt das Ziel sein muss. Karlstetter begleitet die Betroffenen, stellt Kontakte her und vermittelt weitere Hilfen. Dazu hat sie sich in den ersten Monaten mit allen entsprechenden Stellen im Landkreis eng vernetzt.
Wie notwendig die Fachstelle ist, zeigt sich schon daran, dass Karlstetter noch in ihrer Einarbeitungszeit sieben Fälle betreute, die alle über Mundpropaganda zu ihr ka- men. Sie ist auch für Menschen da, die ein Verhalten nicht genau einordnen können und sich nicht sicher sind, ob überhaupt ein sexueller Missbrauch vorliegt. Und für Menschen, die sich zum Beispiel fragen, ob es sich bei einer Situation um ein normales „Doktorspiel“oder schon einen Übergriff gehandelt hat.
Außerdem geht Karlstetter in Kindergärten und Schulen, um über das Thema aufzuklären, hilft pädagogischen Einrichtungen bei der Entwicklung von Schutzkonzepten und berät Fachkräfte. Gerade diese vorbeugende Arbeit ist ihr von ihrer ersten Arbeitsstelle bei Amyna, Institut zur Prävention von sexuellem Missbrauch, gut vertraut. Außerdem kann die angehende Traumapädagogin nun auch in der Beratung arbeiten.
Nicht zuletzt fühlt sie sich unter dem Dach des SOS-Familien- und Beratungszentrums gut aufgehoben und integriert. Schließlich war auch die Bereichsleiterin der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, Margit Erades-Peterhoff, neben dem Weißen Ring und dem Gesundheitsamt eine von denen, die für die Einrichtung der Fachstelle gekämpft haben.
SOS Familien und Bera tungszentrum, Telefonnummer 08191/911890. Die Fachstelle ist Mon tag vormittags, Dienstag und Freitag ganztags besetzt.