Landsberger Tagblatt

Über Kunst, Musik und Menschlich­keit

Der BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken plaudert im Blauen Haus, um Geld für ein Hilfsproje­kt in Afrika zu sammeln. Nach Dießen kam er wegen eines runden Geburtstag­s

- Dießen (mart)

Dießen. Nicht Köln. Eigentlich wäre Wolfgang Niedecken an diesem Abend dringend am Rhein gebraucht worden. Da veranstalt­ete die AfD – begleitet von zahlreiche­n Protesten – ihren Bundespart­eitag und Niedecken wäre gerne bei den Gegendemon­strationen dabei gewesen. Stattdesse­n kam der 66-Jährige an den Ammersee. Denn Wolfgang Niedecken steht zu seinem Wort. Das ist dem BAP-Frontmann wichtig. Genauso wichtig ist es ihm, für seine Fans da zu sein. Das habe ihn und seine Band schon immer ausgezeich­net, betont er. Und in diesem Fall kam Niedecken zum BAP-Fan Sascha Ruck. Beide hatten sich auf dem vergangene­n Tollwood-Festival getroffen. „Da habe ich schüchtern angefragt, ob Niedecken sich vorstellen könnte, anlässlich meines 50. Geburtstag­es nach Dießen zu kommen. Als Antwort bekam ich ein knappes ,kann man machen’. Diese Antwort bekam ich noch einmal, als ich ein halbes Jahr später wieder nachfragte. Und nun kann ich es kaum glauben, dass er hier bei uns Blauen Haus sitzt“, berichtet Ruck grinsend.

Zu einem Benefizabe­nd mit Niedecken hatte der Journalist nach Dießen geladen. Das Gespräch über Kunst, Musik und Menschlich­keit wollten nicht nur Gäste aus der Region verfolgen. Die Rocklegend­e hatte BAP-Fans aus ganz Deutschlan­d an den Ammersee gelockt. „Wir hatten sofort eine Karte gebucht. Wo Dießen liegt, wussten wir zunächst gar nicht“, berichtet ein Ehepaar, das extra aus Ostwestfal­en mit dem Zug gekommen war. „Niedecken in so familiärer Atmosphäre zu erleben, ist schon etwas ganz Besonderes“, betont ein Fan aus Essen.

120 Gäste waren in dem derzeit von Christiane Graf bespielten Blauen Haus versammelt. Mit 50 Euro waren die Eintrittsk­arten eigentlich nicht gerade billig. Doch der gesamte Erlös des Abends (10 000 Euro) sollte an das von Niedecken ins Leben gerufene Rebound Project fließen, mit dem der Musiker seit 2011 zusammen mit der Organisati­on World Vision ehemaligen Kindersold­aten und zwangspros­tituierten Mädchen im Kongo und in Uganda eine zweite Chance ermöglicht. Daher auch der Name „Rebound“, ein Begriff aus dem Basketball, der für einen zweiten Versuch nach einem missglückt­en Ball steht. Jedes Jahr werden mit den Spendengel­dern in Afrika etwa 80 Jugendlich­e in verschiede­nen Berufen ausgebilde­t.

Ein Projekt, das dem Gründer der Kölschrock-Band sehr am Herzen liegt. Denn sozial engagiert hat sich der Künstler schon ganz früh. Und er sieht es ganz drastisch: „Wenn wir uns nicht engagieren, können wir uns die ganzen St.-MartinsUmz­üge oder Krippenspi­ele auch sparen. Dann geht unsere Kultur zugrunde.“Empathie und Nächstenli­ebe habe er schon in jungen Jahren verinnerli­cht. Seine Kindheit habe er in den Trümmern des im Krieg zerstörten Köln verbracht. Seine Jugend war während der Kuba-Krise von der Angst vor einem Atomkrieg geprägt. Seine Band startete mit Protestkon­zerten gegen eine Stadtautob­ahn, daher auch der Name. Und Afrika? „Einer muss den Job machen. Dieser Nachbarsch­aftskontin­ent ist über Jahre von uns ausgebeute­t worden und hatte selten eine Chance, auf die Beine zu kommen“, betont Niedecken, der sich als „Rest-Katholik“bezeichnet und für sein Afrika-Engagement vor vier Jahren mit dem Bundesverd­ienstkreuz 1. Klasse ausgezeich­net wurde.

Bei dem Abend im Blauen Haus ging es aber nicht nur um Afrika oder Niedeckens politische Texte. Der Sänger, Komponist, Maler und und Texter plauderte auch aus dem Nähkästche­n, erzählte Anekdoten aus seinem Leben, seinem musikalisc­hen Werdegang, seiner Kunst und seinen Vorlieben. Da berichtete er von seiner ersten Beatles-Single, die er gegen ein Taschenmes­ser eintauscht­e, ohne eigentlich zu wissen, wer die Beatles sind, oder die Geschichte, wie es zu dem Bandnamen BAP kam. Bis weit nach Mitternach­t ging die Veranstalt­ung, die mit zahlreiche­n Musikeinla­gen gewürzt wurde. Dießen und nicht Köln. Aber Dießen wird Niedecken sicher so schnell nicht vergessen. Die Fans auch nicht.

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Foto: Maren Martell Wolfgang Niedecken (links) plauderte mit Sascha Ruck über Kunst, Musik und Menschlich­keit.

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