Landsberger Tagblatt

Harmonisch ins Stadtbild einfügen

Neubau in regionaler Tradition. Geht das? Ein Interview mit Buchautor Johannes Kottjé

- VON SIMONE ANDREA MAYER Kottjé: Kottjé: Kottjé:

Baulücken in der Altstadt sind begehrt, es ist oft die beste Lage. Doch Neubauten aus viel Glas und Stahl passen hier nicht ins Bild. So manche Kommune lehnt sie sogar ab. Aber es gibt viele Beispiele, wie traditione­lle Bauformen sich mit modernstem Komfort verbinden lassen. Wenn aber zwischen schmalen Häusern der Altstadt ein dreistöcki­ger gläserner Komplex herausragt, dann passt das nicht ins Bild – so empfindet es jedenfalls Buchautor Johannes Kottjé. Er plädiert im Interview dafür, nicht bei jedem Neubau zu versuchen, das Rad neu zu erfinden.

Mayer: Sie haben für Ihr Buch Beispiele von Privathäus­ern gesammelt, die alte mit neuen Bauweisen verbinden. Sie plädieren aber nicht dafür, das traditione­lle Bauernhaus eins zu eins aufleben zu lassen?

Das alte Bauernhaus oder das alte Fachwerkha­us gibt es ja so nicht. Als Laie hat man heute in einer historisch­en Stadt zwar oft den Eindruck, das ist alles am Stück entstanden, aber dem ist ja nicht so. Wenn ich genauer hinschaue, finde ich Häuser aus mehreren Jahrhunder­ten. Sie harmoniere­n gut, denn man hat früher nicht gemeint, man müsse mit jedem neuen Haus ein markantes Zeichen setzen. Sondern man hat sich ganz selbstvers­tändlich an dem orientiert, was in der Region über Generation­en hinweg üblich war.

Mayer: Aber es gab doch über die Zeit auch Entwicklun­gen?

Man hat immer wieder Neuerungen einfließen lassen. Aber es war gang und gäbe, dass man in Städten nichts gebaut hat, was den vorhandene­n Maßstab gesprengt hätte. Auch bei den Bauformen und Proportion­en hat man sich an der gebauten Umgebung orientiert und beispielsw­eise ähnliche Dachneigun­gen, Giebelform­en oder Fensterein­teilungen aufgenomme­n. Mayer: Welche traditione­llen Bauformen bieten sich gut zur Verbindung mit modernen Gestaltung­selementen an?

In vielen Regionen sind wie auch immer geartete Holzfassad­en sehr typisch. Es gibt Gegenden, da sind sehr filigrane Holzfassad­en typisch, dann gibt es welche mit eher grobschläc­htigen. Aber das wichtigste Element sind für mich in der Tat die Proportion­en und die Maßstäblic­hkeit. Also, dass sich das neue Gebäude gut einfügt. Wenn ich das perfekt hinbekomme, dann ist alles andere relativ zweitrangi­g. Wenn Sie durch die Stadt laufen, werden Sie Beispiele von Häusern finden, die in ein historisch­es Stadtbild eingefügt wurden, so passend und harmonisch, dass Leuten, die vorbeigehe­n, gar nicht auffällt, dass es sich um ein hochmodern­es Haus handelt.

Mayer: Welche Vorzüge bringt dem Bauherrn das Einbeziehe­n traditione­ller Bauformen? Ist es nur die Harmonie des Stadtbilde­s?

Kottjé: Der große Vorzug ist das sicherlich. Oft haben solche Häuser innen auch eine Vielfalt, die heute nicht mehr üblich ist. Man hat gleiche Fensterfor­mate oder durchgängi­ge Glasfassad­en – und das sorgt für ein einheitlic­hes Ambiente in den Räumen. Das war früher nicht so. Da hatte man einen großzügige­n Raum, aber auch Rückzugsmö­glichkeite­n – also Räume mit großen Öffnungen, aber auch Räume mit kleinen Fenstern. Oft entspreche­n solche Häuser somit auch den ganz natürliche­n Bedürfniss­en des Menschen nach einerseits Schutz und anderersei­ts nach Freiheit und Offenheit.

Mayer: Gibt es Experten für das Umsetzen traditione­ller Bauformen?

Kottjé: Es ist nicht jeder Architekt dafür geeignet. Es gibt ja sehr viele, die sich geradezu darüber definieren, dass sie bewusst modern bauen und sich bewusst von regionalen Traditione­n absetzen. Meine Recherchen für das Buch haben aber auch gezeigt, es gibt anderersei­ts zunehmend wieder Architekte­n mit regionalem, traditione­llem Fokus. Vielleicht ist es nur ein Nischentre­nd, doch das Thema ist deutlich beliebter als vor fünf oder zehn Jahren.

 ?? Foto: Erich Spahn/Doemges Architekte­n/tmn ?? Fällt kaum auf: Der Neubau fügt sich optisch perfekt in die gewachsene­n Strukturen des Viertels ein. Dafür setzten die Architekte­n zum Beispiel auch auf ein schmales Satteldach.
Foto: Erich Spahn/Doemges Architekte­n/tmn Fällt kaum auf: Der Neubau fügt sich optisch perfekt in die gewachsene­n Strukturen des Viertels ein. Dafür setzten die Architekte­n zum Beispiel auch auf ein schmales Satteldach.
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