Da stinkt was!
Einst wurden Diesel-Motoren als sauber beworben. Doch der Wind weht nun in eine andere Richtung
Berlin NOx – noch vor eineinhalb Jahren kannten die wenigsten Deutschen diese Abkürzung. Jetzt stehen gesundheitsschädliche Stickoxide für den schweren Image-Schaden, den der Diesel erlitten hat. Neue Zahlen der obersten deutschen Umweltbehörde zeigen: Auch was bei neuen Diesel-Modellen aus dem Auspuff kommt, hat wenig mit dem zu tun, was auf dem Papier steht. Das bedeutet neuen Ärger für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Hier wichtige Fragen und Antworten zu dem Thema: Die Gase können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen und Böden werden von Stickstoffoxiden auch geschädigt. Sie tragen außerdem zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur hat Stickstoffdioxid 2012 in Deutschland 10400 vorzeitige Todesfälle verursacht. An mehr als jeder zweiten Messstation an stark befahrenen Straßen in Deutschland wurde 2016 der Stickstoffdioxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel überschritten. fang sind Abweichungen von den Grenzwerten erlaubt. Die Brüsseler EU-Kommission hat außerdem Deutschland wiederholt Verstöße gegen europäische Standards für die Luftqualität vorgeworfen. Mehrere Verfahren wegen mutmaßlicher Verletzungen von EU-Recht sind gegen die Bundesregierung im Gange. Dabei geht es unter anderem um Feinstaub und Stickoxide.
Und in Deutschland?
Es gibt hierzulande 54 Umweltzonen, in 53 davon dürfen nur Autos mit „Grüner Plakette“fahren. Außerdem setzen Städte auf Tempolimits oder Durchfahrtverbote für Lkw. Stuttgart, wo die Belastung besonders hoch ist, hat Fahrverbote eingeführt: Fahrzeuge ohne die Abgasnorm Euro 6 dürfen ab 2018 bei Feinstaubalarm auf besonders belasteten Straßen nicht mehr fahren. Da kommen Verkehrs- und Umweltminister in Bund und Ländern auf keinen gemeinsamen Nenner. Der Deutsche Städtetag fürchtet, dass EU und Gerichte Kommunen zu Fahrverboten zwingen könnten – und forderte daher die „Blaue Plakette“, „damit im Falle von Fahrverboten ein Instrument für deren Kontrolle vorhanden ist“.
Warum steht Verkehrsminister Dobrindt in der Kritik?
Umweltschützer und die Opposition im Bundestag werfen ihm vor, dass er stärkere EU-Kontrollen der nationalen Aufsichtsbehörden wie Kraftfahrt-Bundesamt ebenso blockiere wie schärfere Sanktionen bei Verstößen gegen Grenzwerte – das Ministerium schweigt dazu. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will zudem, dass Dobrindt die Autoindustrie stärker in die Pflicht nimmt. Hersteller müssten Fahrzeuge auf eigene Kosten so nachbessern, dass die realen Emissionen im Durchschnitt um mindestens die Hälfte gesenkt würden.
Und was sagt die Autobranche?
Der Branchenverband VDA begrüßt die beschlossenen Reformen der Abgas-Messung, hält Nachrüstungen aber für schwer möglich: „Aus wirtschaftlicher Sicht lässt sich eine Nachrüstung auf Euro 6 kaum darstellen.“Hersteller prüften derzeit, wie eine Verbesserung bei den Emissionen von Euro-5-Autos in der Stadt zu erreichen sei. Zudem erinnert die Branche an den Grund, aus dem Diesel einst als sauberer galten als Benziner: „Er verbraucht bis zu 25 Prozent weniger Kraftstoff als ein Benziner, und sein CO2-Ausstoß ist 15 Prozent niedriger.“Damit seien Diesel für den Klimaschutz unverzichtbar.