900 Mal mit Absicht gegen die Wand gefahren
Vor 20 Jahren siedelte sich das Technik Zentrum im Industriegebiet an. Ein Blick hinter die Kulissen
Die reinen Zahlen beeindrucken: 2744 Autos auf Herz und Nieren untersucht, über 900 Fahrzeuge gecrasht, an die 4100 Kindersitze geprüft und rund 40 000 Reifen getestet. Alles in Landsberg. Alles im Technik Zentrum des ADAC. Doch auf dem Gelände im Industriegebiet geht es seit 20 Jahren nicht nur um Tests und Technik, sondern auch um konkrete Hilfe. Denn von Landsberg aus werden die Pannenhilfeeinsätze der Gelben Engel für den süddeutschen Raum koordiniert. Bei einem Medientag erhielten Journalisten gestern einen Einblick hinter die Kulissen.
Test- und Technikleiter Reinhard Kolke ist seit zehn Jahren in Landsberg. In dieser Zeit hat er einiges erlebt. Den Besuch von Prominenten wie Jean Todt oder Max Mosley etwa, die in ihrer Funktion als Präsident des Welt-Automobilverbands zu Besuch waren. Für die Fernsehsendung „Welt der Wunder“wurde ein Dummy in mittelalterlicher Ritterrüstung einem Crashtest unterzogen und Ende Mai vergangenen Jahres meldete ein Fahrzeug mit „E-Call-System“nach einem Crashtest einen Unfall und alarmierte die Leitstelle. Der Fall ging durch die Medien.
Das Technik Zentrum ist aber viel mehr. Als zentrales Testhaus der europäischen Automobilclubs ist es laut Kolke die führende Adresse, wenn es um kompetente Beurteilungen und fundierte Tests im Bereich Mobilität und Sicherheit sowie Verbraucherschutz geht. Erst gestern veröffentlichte der ADAC zusammen mit der Stiftung Warentest einen Fahrradhelmtest. Markus Niesel und seine Kollegen nahmen dafür 15 Modelle unter die Lupe, simulierten den Aufprall auf einer Bordsteinkante oder prüften, wie leicht der Kinnriemen sich öffnet.
Kolke und seine Kollegen arbeiten auch eng mit Polizei und Feuerwehr vor Ort zusammen. So werden nicht nur die rund 3000 Schwerstunfälle in Deutschland analysiert, bei der morgendlichen Lektüre der Tageszeitung interessiert sich der Test- und Technikleiter auch für so manchen Unfall in und um Landsberg. „Wir diskutieren das dann mit unseren Unfallforschern“, sagt er. Viele der gecrashten Fahrzeuge dienen auch als Schulungsobjekt für die Feuerwehren der Region. Junge Feuerwehrleute lernen so, wie Personen am besten mit Schere oder Spreizer aus einem Auto befreit werden können. Dabei entwickelten Kolke und seine Kollegen auch die Rettungskarte, die im Auto hinter den Sonnenschutz geklemmt wird und Feuerwehrleute unter anderem darüber informiert, wo die Airbags liegen, wo die Batterie abgeschaltet werden kann. „So können wir bei einer Rettungsaktion rund 30 Prozent der Zeit einsparen.“
Ein großes Thema ist das autonome Fahren. Auch der ADAC testet in diesem Bereich, unter anderem wie solche Fahrzeuge auf Fußgänger oder Radfahrer reagieren. Allerdings nicht in Landsberg. Getestet wird auf den früheren Militärflugplätzen in Kaufbeuren und Memmingen. Ist der Fliegerhorst in Penzing daher eine Option? Reinhard Kolke lächelt. „In Landsberg stoßen wir an unsere Grenzen“, sagt er. Das Grundstück biete keinen Platz für eine Erweiterung. Dabei habe die Stadt das Potenzial als Standort für Hightech-Firmen, die eng mit dem ADAC zusammenarbeiten.
Ebenfalls in Landsberg beheimatet ist das Hilfezentrum Süd. Der ADAC bezeichnet es als Rückgrat seiner Pannenhilfe. Die 1800 Fahrzeuge umfassende Flotte der Gelben Engel wird hier für Einsätze im gesamten Bundesgebiet umgebaut. 300 Fahrzeuge werden jährlich entkernt, umgerüstet und ausgestattet. Bis zu 600 Werkzeuge und Geräte, über 2600 Einzelteile für den täglichen Einsatz in der Pannenhilfe werden verbaut und verstaut.
Landsberg ist auch Schulungszentrum der Pannenhelfer. Zudem werden im dritten Stock alle Pannenhilfeeinsätze für den süddeutschen Raum koordiniert – im Schnitt 2400 am Tag. Der Klassiker der Pannenhilfe hat ein leicht zu merkendes Kürzel: „SNA“. Für Laien: „Springt nicht an.“