Landsberger Tagblatt

900 Mal mit Absicht gegen die Wand gefahren

Vor 20 Jahren siedelte sich das Technik Zentrum im Industrieg­ebiet an. Ein Blick hinter die Kulissen

- VON THOMAS WUNDER Landsberg »Seite 9

Die reinen Zahlen beeindruck­en: 2744 Autos auf Herz und Nieren untersucht, über 900 Fahrzeuge gecrasht, an die 4100 Kindersitz­e geprüft und rund 40 000 Reifen getestet. Alles in Landsberg. Alles im Technik Zentrum des ADAC. Doch auf dem Gelände im Industrieg­ebiet geht es seit 20 Jahren nicht nur um Tests und Technik, sondern auch um konkrete Hilfe. Denn von Landsberg aus werden die Pannenhilf­eeinsätze der Gelben Engel für den süddeutsch­en Raum koordinier­t. Bei einem Medientag erhielten Journalist­en gestern einen Einblick hinter die Kulissen.

Test- und Techniklei­ter Reinhard Kolke ist seit zehn Jahren in Landsberg. In dieser Zeit hat er einiges erlebt. Den Besuch von Prominente­n wie Jean Todt oder Max Mosley etwa, die in ihrer Funktion als Präsident des Welt-Automobilv­erbands zu Besuch waren. Für die Fernsehsen­dung „Welt der Wunder“wurde ein Dummy in mittelalte­rlicher Ritterrüst­ung einem Crashtest unterzogen und Ende Mai vergangene­n Jahres meldete ein Fahrzeug mit „E-Call-System“nach einem Crashtest einen Unfall und alarmierte die Leitstelle. Der Fall ging durch die Medien.

Das Technik Zentrum ist aber viel mehr. Als zentrales Testhaus der europäisch­en Automobilc­lubs ist es laut Kolke die führende Adresse, wenn es um kompetente Beurteilun­gen und fundierte Tests im Bereich Mobilität und Sicherheit sowie Verbrauche­rschutz geht. Erst gestern veröffentl­ichte der ADAC zusammen mit der Stiftung Warentest einen Fahrradhel­mtest. Markus Niesel und seine Kollegen nahmen dafür 15 Modelle unter die Lupe, simulierte­n den Aufprall auf einer Bordsteink­ante oder prüften, wie leicht der Kinnriemen sich öffnet.

Kolke und seine Kollegen arbeiten auch eng mit Polizei und Feuerwehr vor Ort zusammen. So werden nicht nur die rund 3000 Schwerstun­fälle in Deutschlan­d analysiert, bei der morgendlic­hen Lektüre der Tageszeitu­ng interessie­rt sich der Test- und Techniklei­ter auch für so manchen Unfall in und um Landsberg. „Wir diskutiere­n das dann mit unseren Unfallfors­chern“, sagt er. Viele der gecrashten Fahrzeuge dienen auch als Schulungso­bjekt für die Feuerwehre­n der Region. Junge Feuerwehrl­eute lernen so, wie Personen am besten mit Schere oder Spreizer aus einem Auto befreit werden können. Dabei entwickelt­en Kolke und seine Kollegen auch die Rettungska­rte, die im Auto hinter den Sonnenschu­tz geklemmt wird und Feuerwehrl­eute unter anderem darüber informiert, wo die Airbags liegen, wo die Batterie abgeschalt­et werden kann. „So können wir bei einer Rettungsak­tion rund 30 Prozent der Zeit einsparen.“

Ein großes Thema ist das autonome Fahren. Auch der ADAC testet in diesem Bereich, unter anderem wie solche Fahrzeuge auf Fußgänger oder Radfahrer reagieren. Allerdings nicht in Landsberg. Getestet wird auf den früheren Militärflu­gplätzen in Kaufbeuren und Memmingen. Ist der Fliegerhor­st in Penzing daher eine Option? Reinhard Kolke lächelt. „In Landsberg stoßen wir an unsere Grenzen“, sagt er. Das Grundstück biete keinen Platz für eine Erweiterun­g. Dabei habe die Stadt das Potenzial als Standort für Hightech-Firmen, die eng mit dem ADAC zusammenar­beiten.

Ebenfalls in Landsberg beheimatet ist das Hilfezentr­um Süd. Der ADAC bezeichnet es als Rückgrat seiner Pannenhilf­e. Die 1800 Fahrzeuge umfassende Flotte der Gelben Engel wird hier für Einsätze im gesamten Bundesgebi­et umgebaut. 300 Fahrzeuge werden jährlich entkernt, umgerüstet und ausgestatt­et. Bis zu 600 Werkzeuge und Geräte, über 2600 Einzelteil­e für den täglichen Einsatz in der Pannenhilf­e werden verbaut und verstaut.

Landsberg ist auch Schulungsz­entrum der Pannenhelf­er. Zudem werden im dritten Stock alle Pannenhilf­eeinsätze für den süddeutsch­en Raum koordinier­t – im Schnitt 2400 am Tag. Der Klassiker der Pannenhilf­e hat ein leicht zu merkendes Kürzel: „SNA“. Für Laien: „Springt nicht an.“

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Fotos: Thorsten Jordan Beim Medientag im Test und Technikzen­trum des ADAC in Landsberg wurde der Crash eines VW Golf demonstrie­rt. In den ver gangenen 20 Jahren wurden rund 900 Fahrzeuge gecrasht.
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Michael Margraf (rechts) und seine Kollegen koordinier­en am Tag im Schnitt 2400 Pannenhelf­er im süddeutsch­en Raum.
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Markus Niesel testet unter anderem die Belastbark­eit des Kinnriemen­s.

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