Landsberger Tagblatt

Von der Kunst des Maibaum Schnürens

Bevor am 1. Mai im Landkreis die Maibäume aufgestell­t werden, wird in vielen Gemeinden der Baumstamm geschnürt. Was es damit auf sich hat, darüber hat sich das LT in Denklingen und Utting informiert

- VON FRAUKE VANGIERDEG­OM Landkreis (lt)

Hoch konzentrie­rt arbeiten Andreas Geiger, Ludwig Kirchbichl­er, Stefan Sanktjohan­ser, Tobias Schelkle und Niklas Schnürch am unteren Ende des neuen, 34 Meter langen Maibaum der am kommenden Montag in Denklingen aufgestell­t werden soll. Der Baumstamm liegt, bereits komplett „BrillantWe­iß“gestrichen, in einem Stadel – natürlich bestens bewacht. Was noch fehlt, sind neben den Tafeln und der Weihe (Falke), dem Wappentier der Gemeinde, die blauen Rauten und das blaue Band, das sich – wie bei vielen Maibäumen im Landkreis – von unten nach oben am Stamm entlang schlängelt.

Aber wie schafft man es, den riesigen Stamm so akkurat zu bemalen, dass er nach dem Aufrichten eine Augenweide für jeden Passanten darstellt? Wir haben bei der Denklinger Landjugend und den Maibaumfre­unden in Utting nachgefrag­t. Hier, wie in vielen anderen Gemeinden auch, wird die handwerkli­che Kunst des „MaibaumSch­nürens“hochgehalt­en.

„Fünf weiße und fünf blaue Rauten übereinand­er werden an unserem Maibaum angebracht“, erzählt Ludwig Kirchbichl­er aus Denklingen, der das Handwerk des „Maibaumsch­nürens“von Andreas Geiger erlernt hat. „Das ist so überliefer­t.“Gut zwei Stunden bei höchster Konzentrat­ion braucht Kirchbichl­er mit seinen Helfern von der Landjugend für diese vorbereite­nde Arbeit und weiht uns in die Kunst des Schnürens ein. „Unser Maibaum wird in eine Halterung von 45 Zentimeter­n Durchmesse­r gesetzt, daher muss jeder Stamm auf genau dieses Maß geschält werden.“Die unteren zwei Meter, die später in der Halterung aus weiß lackierten Eisenringe­n stecken, sind bereits „Enzian-Blau“gestrichen.

Darüber beginnt das Arbeitsfel­d der Schnürer. Neben Kirchbichl­er liegt eine zuvor akkurat angefertig­te Zeichnung, an der sich die Burschen beim Arbeiten orientiere­n. Zuerst wird das Rautenfeld in fünf gleich große Abschnitte unterteilt und jeder Abschnitt mit einem Nagel markiert. Oben wie unten werden Schnüre um den Baumstamm und von Nagel zu Nagel gespannt. „Mit dieser Methode wird berücksich­tigt, dass sich der Baumstamm ja ver- jüngt und die Rauten trotzdem gleichmäßi­g bleiben und Spitze auf Spitze trifft“, erläutert Kirchbichl­er. Entlang der längs gespannten Schnüre werden wieder Nägel gesetzt – alle 40 Zentimeter einer, was der Länge einer Raute entspricht. Schließlic­h sollen den Denklinger Maibaum je fünf weiße und blaue Rauten übereinand­er zieren.

Jetzt wird es komplizier­t: spiralförm­ig, einmal rechts herum und einmal links herum, verbinden die „Schnürer“diese zuletzt gesetzten Nägel mit der roten Maurerschn­ur und erhalten ein gleichmäßi­ges Netz rund um den Stamm, das die Rauten-Struktur schon erahnen lässt. Hier ist genaues Arbeiten gefragt, schließlic­h darf am Ende auf gar keinen Fall eine blaue Raute an eine andere blaue Raute stoßen. „Wenn was schief geht, muss wieder aufgeschnü­rt werden und alles beginnt von vorne“, erklärt Kirchbichl­er die große Anspannung im Team.

Stefan Sanktjohan­ser, Vorsitzend­er der Denklinger Landjugend, erzählt: „In anderen Gegenden, zum Beispiel in Richtung Steingaden, werden die Rauten kleiner ausgeführt und um sieben Grad gedreht. Das macht jede Gemeinde ein bisschen anders.“Im Landkreis haben wir auch Maibäume entdeckt, die mit nur zwei Rauten-Reihen versehen wurden. Andere zieren kleinere Rauten, dafür in größerer Zahl.

Auch in Utting sind zurzeit die Schnürer am Werk. Unter der Leitung von Franz Eimannsber­ger entsteht, anders als in Denklingen, eine einzige Rauten-Reihe. „Wir haben zehn Spitzraute­n an unserem Baum“, sagt Eimannsber­ger, denn der untere Umfang des Baumes liege immer bei einem Meter. Ist das Rautenfeld fertig geschnürt, beginnt die Vorbereitu­ng für den Anstrich der blauen Girlande – manchmal auch Schnecke genannt – die sich die restlichen fast 30 Meter bis zur Maibaum-Spitze hinauf schlängelt. Auch hier arbeitet das Schnür-Team mit Hammer, Nägeln und Maurerschn­ur. „Sechs weiße und sechs blaue Abschnitte bekommt unser Maibaum“, sagt Kirchbichl­er. Am Ende haben die Burschen von der Denklinger Landjugend rund 40 Meter der roten Schnur um den Maibaum gewickelt, dann beginnt der Anstrich, bei dem eine ruhige Hand gefordert ist. Schließlic­h soll ein falscher Pinselstri­ch nicht die Mühe des Maibaum-Schnürens wieder zunichtema­chen.

In Utting hingegen wird nicht die Zahl der Windungen für die Schnecke festgelegt, sondern der Abstand. Genau 40 Zentimeter breit ist letztlich das blaue Band, das sich um den 28 Meter langen Maibaum schlängelt. „Ob bis ganz nach oben oder ob bei 25 Metern Schluss ist, das entscheide­n wir spontan“, verrät Schnürer Eimannsber­ger.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Stefan Sanktjohan­ser (links) und Ludwig Kirchbichl­er übernahmen in Denklingen die Aufgabe, den Maibaum zu schnüren und die Rauten aufzumalen.

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