Landsberger Tagblatt

Offiziers Affäre bringt Ministerin in Bedrängnis

Gibt es ein rechtsextr­emes Netz? Von der Leyen steht zu „Gesamtvera­ntwortung“

- Berlin (dpa, afp, AZ) Politik.

Empörung in der Truppe und viel Unmut in der Koalition: Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) ist nach ihrer scharfen Kritik an den Zuständen bei der Bundeswehr gewaltig unter Druck. Eine geplante Reise in die Vereinigte­n Staaten sagte sie gestern kurzfristi­g ab und fährt heute nun zur deutsch-französisc­hen Brigade Illkirch bei Straßburg, um sich über den Fall Franco A. zu informiere­n. Dazu sagte sie: „Ich habe immer die Gesamtvera­ntwortung.“Die jüngsten Verfehlung­en an einzelnen Bundeswehr­standorten – sie meinte auch Fälle von Erniedrigu­ng, sexueller Herabwürdi­gung und Schikane in Pfullendor­f, Bad Reichenhal­l und Sondershau­sen – hätten ihr gezeigt: „Vielleicht hätte ich früher tiefer graben müssen.“Sie versprach: „Das Dunkelfeld auszuleuch­ten, das wird mühsam, das wird schmerzhaf­t, das wird nicht schön werden. Das müssen wir durchhalte­n, das wird über Wochen und Monate gehen dieser Prozess, aber er ist zum Besten der Bundeswehr.“

Gleichzeit­ig machten in Berlin Spekulatio­nen die Runde, in der Truppe könnte es sogar ein kleines rechtsextr­emistische­s Netzwerk geben. Demnach geht das Verteidigu­ngsministe­rium von mindestens fünf Mitglieder­n aus. Der Fall des festgenomm­enen Offiziers Franco A., der monatelang ein Doppellebe­n als Soldat und Asylbewerb­er geführt und möglicherw­eise mehrere Anschläge geplant hat, weitet sich damit zu einem Skandal aus. Wegen des Verdachts einer staatsgefä­hrdenden Gewalttat hat die Bundesanwa­ltschaft inzwischen die Ermittlung­en an sich gezogen. Nach Informatio­nen des hatte A. auch den früheren Bundespräs­identen Joachim Gauck und Justizmini­ster Heiko Maas im Visier.

Laut Ministeriu­m fanden die Inspekteur­e des Heeres und der Streitkräf­tebasis in A.s Brigade in Illkirch Hakenkreuz­e auf den Wänden, Landser-Bilder und andere „Wehrmachts-Souvenirs“.

Tagesspieg­el

Bereits nachdem A. seine Masterarbe­it vorgelegt habe, hätte der Militärisc­he Abschirmdi­enst eingeschal­tet werden müssen, der Geheimdien­st der Bundeswehr. In der Arbeit schreibt er, ohne schnelle Maßnahmen gegen die liberale postmodern­e Ideologie sei „die Vernichtun­g des Volkes nur eine Frage der Zeit“. Ein Gutachter hatte damals festgestel­lt, es handle sich um einen „radikalnat­ionalistis­chen, rassistisc­hen Appell“.

Und die Entschuldi­gung bei der Truppe für ihre Vorwürfe, die Verteidigu­ngs-Experten von Ursula von der Leyen gefordert hatten? Rainer Arnold (SPD): „Dass sie der Truppe pauschal vorwirft, sie hätte ein Haltungspr­oblem, macht mich fassungslo­s.“Florian Hahn (CSU) sagt: „Wir dürfen unsere Soldatinne­n und Soldaten wegen einzelner, nicht zu duldender Vorkommnis­se nicht pauschal kritisiere­n.“Die Ministerin lenkte ein: „Die ganz große Mehrheit der Soldatinne­n und Soldaten macht einen tadellosen, hervorrage­nden Dienst.“Sie hat für morgen die militärisc­he Führung nach Berlin zitiert, rund 100 ranghohe Offiziere.

Die Rolle der Ministerin analysiert Martin Ferber in der

Innere Führung

Der Begriff „Innere Führung“wurde in den 50er Jahren geprägt: Er be schreibt die Führungsph­ilosophie der deutschen Armee – ein nach Ein schätzung der Bundeswehr einzigar tiges Prinzip. Leitbild ist dabei der „Staatsbürg­er in Uniform“: Das be deutet, dass auch für den einzel nen Soldaten die Rechte und Pflich ten des Bürgers gelten und die Soldaten sich zugleich ausdrückli­ch als Teil der Gesellscha­ft begreifen. Führungskr­äfte der Bundeswehr wer den am „Zentrum Innere Führung“mit Standorten in Koblenz und Strausberg bei Berlin ausgebilde­t.

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