Landsberger Tagblatt

Die einsame Kommandeur­in auf dem Feldherren­hügel

Ursula von der Leyen prangert die Missstände in der Armee an. Doch sie ist die Befehlshab­erin

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Der Feldherren­hügel war einst der zentrale Ort, von dem aus die Oberbefehl­shaber ihre Truppen in die Schlacht führten und ihre Befehle erteilten. Der erhöhte Standort gab ihnen einen freien Blick auf das Geschehen. Gleichzeit­ig aber waren sie auch weit von der eigenen Truppe entfernt. So bekamen sie nicht selten nur noch am Rande mit, was sich in den eigenen Reihen abspielte. Der Feldherren­hügel markierte die große Distanz zwischen denen, die Befehle ausgaben, und jenen, die sie auszuführe­n hatten.

In diesen Tagen wirkt auch Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen wie eine einsame Kommandeur­in, die im vierten Jahr im Amt mit einer gehörigen Portion Erstaunen wie Befremden vom fernen Hügel aus auf die eigene Truppe schaut. Jetzt muss sie einräumen, in ihrer bisherigen Amtszeit in den Höhen der Kommandoze­ntrale wenig vom wirklichen Innenleben der Bundeswehr mitbekomme­n zu haben. So ernst ist die Lage mittlerwei­le, dass sie eine geplante USA-Reise abgesagt hat. Die Ministerin muss zu Hause retten, was noch zu retten ist.

Ihr offener Brief ist die Konsequenz aus den jüngsten Skandalen um Mobbingfäl­le in den Kasernen Pfullendor­f und Bad Reichenhal­l sowie um den rechtsextr­emen Offizier Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgab und Anschläge plante. Mit dem Schreiben will sie Tatkraft und Entschloss­enheit zum Ausdruck bringen und belegen, dass die Inhaberin der Befehlsund Kommandoge­walt ohne Rücksicht die eklatanten Missstände in der Truppe aufklären will. Und doch offenbart der Brief auch, wie fremd ihr die Armee seit ihrem Amtsantrit­t geblieben ist, wie gering ihr Interesse am inneren Zustand der Streitkräf­te bislang war und wie wenig sie sich um eine Besserung gekümmert hat.

Ursula von der Leyen weiß, dass ihr Amt ein Schleuders­itz ist. Immer wieder wurden diverse Skandale und Affären ihren Vorgängern zum Verhängnis. Jeder zweite Verteidigu­ngsministe­r musste vorzeitig gehen. Die erste Frau an der Spitze des Wehrressor­ts ist daher entschloss­en, eine hohe Brandmauer zu errichten, die verhindern soll, dass sich die skandalöse­n Vorfälle in der Truppe zu einem Flächenbra­nd entwickeln und auch die Chefin im Bendlerblo­ck in Bedrängnis bringen. Doch ihre Taktik, sich selber aus der Schusslini­e zu nehmen, mit dem Finger auf andere zu zeigen und der Bundeswehr pauschal ein „Haltungspr­oblem“sowie „Führungssc­hwäche auf verschiede­nen Ebenen“vorzuwerfe­n, wird zum Eigentor und bringt sie erst recht in Schwierigk­eiten. Denn von der Leyen tut so, als habe sie damit nichts zu tun. Dabei trägt sie seit Dezember 2013 die politische Gesamtvera­ntwortung für das, was in der Bundeswehr passiert. Und gerade in einer Armee, in der das Prinzip von Befehl und Gehorsam gilt, fängt Führungssc­hwäche ganz oben an – bei der Ministerin.

Rechte Gesinnung, ein falsch verstanden­er Korpsgeist sowie Gewalt gegen Soldaten haben in der Armee nichts zu suchen. Jeder Vorfall ist einer zu viel. Missstände müssen aufgeklärt und bekämpft, Verantwort­liche zur Rechenscha­ft gezogen werden. Doch indem Ursula von der Leyen ihre weiße Weste unbedingt erhalten und die Verantwort­ung auf andere abschieben will, macht sie alles nur noch schlimmer. Die Entfremdun­g zwischen der Armee und der politische­n Führung wächst. Nötig wäre vielmehr, dass sie all jene Kräfte ermuntert, die das Prinzip der inneren Führung ernst nehmen und offensiv gegen die Missstände vorgehen, statt sie unter den Teppich zu kehren. Doch noch immer ist die Bundeswehr so organisier­t, dass man schlechte Nachrichte­n auf dem langen Dienstweg von unten nach oben verharmlos­t und schön redet. Das zu ändern wäre Aufgabe der Ministerin vom ersten Tag im Amt gewesen, um einen neuen Geist in die Armee zu bringen.

Eine moderne Bundeswehr muss modern geführt werden, alles andere macht sie als Arbeitgebe­r unattrakti­v. So aber hat Ursula von der Leyen das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollte. Statt Offenheit herrscht Misstrauen, die Truppe schließt ihre Reihen und geht auf Distanz zur Führungssp­itze. Der Koalitions­partner kritisiert sie öffentlich, aus den eigenen Reihen erfährt sie bislang keine öffentlich­e Unterstütz­ung.

So einsam war es um die ehrgeizige CDU-Politikeri­n noch nie.

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Foto: imago Seit Sonntag prasselt auf sie Kritik ein: Ursula von der Leyen.

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