Klagen sind gerechtfertigt
Es lässt sich leidenschaftlich darüber streiten, ob es eine „Leitkultur“tatsächlich gibt – und wenn ja: Was diese die Gesellschaft prägende Lebensweise denn im Detail wohl ausmacht. Der jahrelange politische Streit über dieses Thema hat leider schon einige Niveaulosigkeiten zu Tage gefördert. Er befördert aber bei aller Hitzigkeit auch die notwendige Diskussion, wie Integration von Zuwanderern denn am besten gelingen kann.
Politisch mag der Kampfbegriff „Leitkultur“also durchaus seinen Sinn haben. Als Grundlage für ein Gesetz, das die Integration fördern soll, ist er aber denkbar ungeeignet: Erstens, weil jeder unter dem Begriff etwas anderes verstehen kann. Und zweitens, weil eine „Leitkultur“heute etwas anderes ist, als sie es vor 30 Jahren war – oder in 30 Jahren sein wird.
Ein undefinierter, dem gesellschaftlichen Wandel unterliegender Begriff kann aber nicht Grundlage für ein Gesetz sein, dessen Regelungen für alle Betroffenen auf Dauer klar und gleich sein müssen.
Der CSU war durchaus klar, auf welch dünnem Eis sie hier marschiert. Sie hat es trotzdem getan, weil sie sich daraus in den anstehenden Wahlkämpfen Vorteile verspricht. Gesetze sollten aber nicht als Wahlkampfmunition missbraucht werden, sondern einer dauerhaften Problemlösung verschrieben sein. Es ist deshalb sehr zu hoffen, dass Bayerns Verfassungsrichter hier nun die nötigen Grenzen ziehen.