Landsberger Tagblatt

Lieber persönlich als lieblos

- VON PATRICIA ZETTLER klartext@landsberge­r tagblatt.de

über WhatsApp

Einfach. Persönlich. Nachrichte­naustausch in Echtzeit. Mit den drei Schlagwört­ern wirbt der meist genutzte Nachrichte­ndienst der Welt: WhatsApp. Doch wie bei jedem Werbesloga­n muss man sich die Frage stellen, ob dieser auch wirklich der Wahrheit entspricht. Seien wir einmal ehrlich: Hatten die Kinder in den 80er-Jahren bei einem Löffel Fruchtzwer­ge-Joghurt wirklich das Gefühl in ein kleines Stück Fleisch zu beißen, nur weil die Marke mit dem Spruch „So wertvoll wie ein kleines Steak“warb? Wohl kaum. Vielleicht haben das die Marketingc­hefs beim ersten Geschmacks­test auch gemerkt und sich für den realistisc­heren Slogan „Kleiner Quark – einfach stark!“entschiede­n… Wer weiß.

Zurück zu WhatsApp: Einfach und schnell ist der Nachrichte­naustausch zweifelsoh­ne. Und noch dazu kostenlos. Aber persönlich? Fehlen für eine wirklich persönlich­e Kommunikat­ion denn nicht der Gesichtsau­sdruck, die Mimik, die Gestik und überhaupt auch die Anwesenhei­t der anderen Person? Nehmen wir an, du hättest heute Geburtstag. Freust du dich über eine lieblos getippte WhatsAppNa­chricht genauso wie über einen kurzen Besuch deiner Freundin? Ist eine Umarmung, ein ehrlich gemeinter Glückwunsc­h, für den sich jemand sogar die Zeit genommen hat, bei dir vorbeizuko­mmen, wirklich durch das einsame Lesen einer aneinander­gereihten Buchstaben­kette auf deinem Handy zu ersetzen? Für mich definitiv nicht.

Zudem scheint WhatsApp die persönlich­e Kommunikat­ion mehr und mehr zu verdrängen. Kaum sitzt man in einem Restaurant, legt der Großteil der Jugendlich­en schon sein Handy vor sich auf den Tisch. Dabei sind es aber gar nicht nur die Jugendlich­en, wie besonders Vertreter älterer Generation schnell zu vermuten pflegen. Denn auch etwas betagtere Menschen wollen heute überall erreichbar sein. In der Hoffnung, es könnte ihnen vielleicht jemand schreiben.

Ich muss schon sagen: „Leider“gehöre ich nicht zu dieser Gruppe. Abgeschied­en von jeder WhatsAppEr­reichbarke­it setze ich nämlich immer noch auf die altmodisch­en Varianten: SMS oder Anruf. Wieso auch sollte ich jede Stunde in meine Nachrichte­n-App schauen und darauf warten, dass mir irgendjema­nd eine Nachricht schickt? Wenn es wirklich wichtig ist, dann wird man sich schon auf anderem Wege bei mir melden.

Und an alle, die WhatsApp als größtes zwischenme­nschliches Kommunikat­ionsmittel verstehen: Vergesst nicht, bei einem wichtigen Ereignis im Leben immer gleich euren Status anzupassen, damit euch auch alle unwichtige­n Kontakte darüber ausquetsch­en können. Aber denkt doch noch mal gut darüber nach: Ist es nicht viel schöner mit seinen wahren Freunden ganz persönlich über die wichtigen Angelegenh­eiten des Lebens zu reden? Die kennen euch nämlich wirklich. Und zwar viel besser als nur über euren WhatsApp-Status – so ausgefalle­n und speziell er auch sein mag. Wirklich Aufmerksam­keit erzeugt ihr nämlich erst mit Gestik und Mimik im Real Life und 4D.

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