Stühle aus Stahl am Biedermeiertisch
Caroline und Armin Willy beleben das Dießener Baudenkmal mit einem besonderen Stilmix
Dießen Bauhaus-Möbelklassiker kontrastieren mit rohen Klinkerwänden und historischen Holzöfen, moderne Stühle in Stahl und Leder gruppieren sich um einen runden Biedermeiertisch: Mit der Galerie Seerichter hat die Moderne Einzug gehalten in dem Gebäude in der Dießner Prinz-Ludwig-Straße, dessen Ursprünge ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Caroline und Armin Willy haben das historische Gebäude 2013 gekauft und saniert. Sie haben es in einen Wohntrakt und eine Galerie, die seit Kurzem zu besichtigen ist, geteilt.
Hütehundmix Elsa begrüßt den Besucher mit jugendlicher Neugier, bevor Hausherrin Caroline Willy den Gast in den immer wieder beeindruckenden, mehrere Meter breiten Flur des großen alten Hauses bittet. Hier residierte einst der Markt- und Seerichter. Er war für die höhere Gerichtsbarkeit zuständig und den nicht zum Kloster zugehörigen Markt. Herzogliches und kurfürstliches Seerecht galt es zu überwachen, vor allem ob genügend Fisch an den Hof nach München geliefert wurde.
Den Grundstein für die trotz Schäden immer noch beeindruckende Pracht schuf der Markt- und Seerichter Franz Ferdinand von Helmberg 1734 und 1735, der damals in der Prinz-Ludwig-Straße mehrere Anwesen zusammenlegen ließ. Eine Holzkassettendecke thront über den Köpfen der Besucher im Parterre, im ersten Stock zeigt die bemalte Decke von 1735 die vier Jahreszeiten und nach einer Deutung den Absturz des Phaeton. Kunstvoll verzierte Eisen- und Emaille-Öfen sorgten damals in jedem der Räume für Wärme. Steinerne Fliesen und breite Holzdielen zeigen die Spuren der vielen Menschen, die in Jahrhunderten über sie liefen. Um 1900 war in dem Gebäude ein beliebtes Café untergebracht, in den 1990erJahren lebten und arbeiteten dort Modedesigner. Doch dann begannen schwierige Zeiten für das alte Gebäude, das jahrelang leer stand, mit einer Zwischennutzung als Antiquariat.
Das Ehepaar Willy verhilft dem Seerichteranwesen nun wieder zu einem angemessenen Dasein. „Wir haben nach einem Haus für uns gesucht und sind an dem Verkaufsschild hier in Dießen vorbeigefahren.“Angetan waren die beiden sofort von dem malerischen Garten, den große Kastanien dominieren. „Und als wir das Gebäude innen sahen, waren wir hin und weg“, erzählt Caroline Willy. Sie lebte lange in München und ist Architektin. So hatte sie eine ungefähre Vorstellung davon, was es bedeutet, diese alten Mauern zu sanieren. „Aber man erlebt immer Überraschungen.“Denn in den Jahren zuvor waren nicht immer die richtigen Techniken, das richtige Material angewandt wor- den, beispielsweise beim Verputzen der alten Tuffmauern. Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt haben die Willys als sehr positiv im Sinne einer guten Beratung erlebt. Und sie steckten selbst einiges an Arbeit hinein, schlugen Farbreste ab, verputzten neu mit Sumpfkalk und ließen im Erdgeschoss eine Wandheizung einbauen.
Die Raumstruktur wurde laut Willy belassen, größter sichtbarer Eingriff ist die Unterteilung des Flurs in einen Privatbereich und die Galerie, die von einem nördlichen Eingang her erschlossen wird. Hier setzten die Willys bewusst auf eine schlichte, aber moderne Gestaltung, um keine historisierenden Momente zu schaffen: Eine Glaswand und Glastür in einem weißen Rahmen trennt die beiden Bereiche. „Wir dachten zuerst, das Erdgeschoss zu vermieten“, erzählt Caroline Willy. Doch dies sei schwer, nachdem man selbst die Wände abgekratzt hat. So entstand die Idee der Galerie, die ihren Schwerpunkt bei Möbelklassikern der Moderne hat – „ein Faible von mir“, sagt Caroline Willy, vor allem die Möbel der 1950er-, 60erund 70er-Jahre. „Trüffelschweinmäßig“müsse man auf Flohmärkten und in kleinen Läden unterwegs sein, um solche Fundstücke zu finden. „Ich habe auch zwei Kooperationspartner, der eine verkauft Möbelklassiker, die neu hergestellt werden, der andere gebrauchte.“
„Hier, dieses schwedische Bettsofa von Karl-Erik Ekselius liebe ich“, zeigt Caroline Willy auf ein mit grünem Stoff überzogenes Sofa. „Es sind klare, leichte Formen. Und mir ist die handwerklich gute Verarbeitung sehr wichtig“, demonstriert sie, dass sich dieses Möbel aus den 1950ern immer noch mit einem Handgriff ausziehen lässt. Ein Sideboard aus den 1960ern steht neben dem „Schlittenstuhl“von Borge Mogensen, dessen aus Stoffbahnen sich zusammensetzende Sitzfläche an das Wintersportgerät erinnert.
Leidenschaft für die Exponate
IMS-Bürostühle gruppieren sich in der ehemaligen Küche um einen Biedermeiertisch. Der Galeristin ist die Leidenschaft für ihre Exponate anzumerken, zu fast jedem der Teile weiß sie eine Geschichte zu erzählen: Diese Sitzgruppe aus braunem Leder sei von einem Mitglied der schwedischen Königsfamilie, Sigvard Bernadotte, für das UN-Gebäude entwickelt worden. „Und das sind meine Lieblinge“, zeigt sie in einem weiteren Raum auf zwei braune Ledersessel. Sie stammten aus der kleinen Werkstatt von Eugen Schmidt und seien 1960 für das Bundeskanzleramt in Bonn entworfen worden. Es gibt auch neues, modernes Design, beispielsweise der Bell-Table, ein Tischchen aus Glas und Messing. „Egal wo ich ihn hinstelle, er wertet alles auf.“
Im Seerichterhaus soll aber nicht nur für schlicht-elegante Möbel Raum sein, auch anderen Künstlern öffnen die Willys ihre Tore. Fotokunst von Ben Goossens, der in Dießen aufwuchs und im vergangenen Jahr Preisträger der Akademie der schönen Künste München war, ist derzeit zu sehen.
zur Besichtigung unter Telefon 0170/8188831 oder info@ga lerie seerichter.de