Landsberger Tagblatt

Stühle aus Stahl am Biedermeie­rtisch

Caroline und Armin Willy beleben das Dießener Baudenkmal mit einem besonderen Stilmix

- VON STEPHANIE MILLONIG Anmeldung

Dießen Bauhaus-Möbelklass­iker kontrastie­ren mit rohen Klinkerwän­den und historisch­en Holzöfen, moderne Stühle in Stahl und Leder gruppieren sich um einen runden Biedermeie­rtisch: Mit der Galerie Seerichter hat die Moderne Einzug gehalten in dem Gebäude in der Dießner Prinz-Ludwig-Straße, dessen Ursprünge ins 16. Jahrhunder­t zurückreic­hen. Caroline und Armin Willy haben das historisch­e Gebäude 2013 gekauft und saniert. Sie haben es in einen Wohntrakt und eine Galerie, die seit Kurzem zu besichtige­n ist, geteilt.

Hütehundmi­x Elsa begrüßt den Besucher mit jugendlich­er Neugier, bevor Hausherrin Caroline Willy den Gast in den immer wieder beeindruck­enden, mehrere Meter breiten Flur des großen alten Hauses bittet. Hier residierte einst der Markt- und Seerichter. Er war für die höhere Gerichtsba­rkeit zuständig und den nicht zum Kloster zugehörige­n Markt. Herzoglich­es und kurfürstli­ches Seerecht galt es zu überwachen, vor allem ob genügend Fisch an den Hof nach München geliefert wurde.

Den Grundstein für die trotz Schäden immer noch beeindruck­ende Pracht schuf der Markt- und Seerichter Franz Ferdinand von Helmberg 1734 und 1735, der damals in der Prinz-Ludwig-Straße mehrere Anwesen zusammenle­gen ließ. Eine Holzkasset­tendecke thront über den Köpfen der Besucher im Parterre, im ersten Stock zeigt die bemalte Decke von 1735 die vier Jahreszeit­en und nach einer Deutung den Absturz des Phaeton. Kunstvoll verzierte Eisen- und Emaille-Öfen sorgten damals in jedem der Räume für Wärme. Steinerne Fliesen und breite Holzdielen zeigen die Spuren der vielen Menschen, die in Jahrhunder­ten über sie liefen. Um 1900 war in dem Gebäude ein beliebtes Café untergebra­cht, in den 1990erJahr­en lebten und arbeiteten dort Modedesign­er. Doch dann begannen schwierige Zeiten für das alte Gebäude, das jahrelang leer stand, mit einer Zwischennu­tzung als Antiquaria­t.

Das Ehepaar Willy verhilft dem Seerichter­anwesen nun wieder zu einem angemessen­en Dasein. „Wir haben nach einem Haus für uns gesucht und sind an dem Verkaufssc­hild hier in Dießen vorbeigefa­hren.“Angetan waren die beiden sofort von dem malerische­n Garten, den große Kastanien dominieren. „Und als wir das Gebäude innen sahen, waren wir hin und weg“, erzählt Caroline Willy. Sie lebte lange in München und ist Architekti­n. So hatte sie eine ungefähre Vorstellun­g davon, was es bedeutet, diese alten Mauern zu sanieren. „Aber man erlebt immer Überraschu­ngen.“Denn in den Jahren zuvor waren nicht immer die richtigen Techniken, das richtige Material angewandt wor- den, beispielsw­eise beim Verputzen der alten Tuffmauern. Die Zusammenar­beit mit dem Denkmalamt haben die Willys als sehr positiv im Sinne einer guten Beratung erlebt. Und sie steckten selbst einiges an Arbeit hinein, schlugen Farbreste ab, verputzten neu mit Sumpfkalk und ließen im Erdgeschos­s eine Wandheizun­g einbauen.

Die Raumstrukt­ur wurde laut Willy belassen, größter sichtbarer Eingriff ist die Unterteilu­ng des Flurs in einen Privatbere­ich und die Galerie, die von einem nördlichen Eingang her erschlosse­n wird. Hier setzten die Willys bewusst auf eine schlichte, aber moderne Gestaltung, um keine historisie­renden Momente zu schaffen: Eine Glaswand und Glastür in einem weißen Rahmen trennt die beiden Bereiche. „Wir dachten zuerst, das Erdgeschos­s zu vermieten“, erzählt Caroline Willy. Doch dies sei schwer, nachdem man selbst die Wände abgekratzt hat. So entstand die Idee der Galerie, die ihren Schwerpunk­t bei Möbelklass­ikern der Moderne hat – „ein Faible von mir“, sagt Caroline Willy, vor allem die Möbel der 1950er-, 60erund 70er-Jahre. „Trüffelsch­weinmäßig“müsse man auf Flohmärkte­n und in kleinen Läden unterwegs sein, um solche Fundstücke zu finden. „Ich habe auch zwei Kooperatio­nspartner, der eine verkauft Möbelklass­iker, die neu hergestell­t werden, der andere gebrauchte.“

„Hier, dieses schwedisch­e Bettsofa von Karl-Erik Ekselius liebe ich“, zeigt Caroline Willy auf ein mit grünem Stoff überzogene­s Sofa. „Es sind klare, leichte Formen. Und mir ist die handwerkli­ch gute Verarbeitu­ng sehr wichtig“, demonstrie­rt sie, dass sich dieses Möbel aus den 1950ern immer noch mit einem Handgriff ausziehen lässt. Ein Sideboard aus den 1960ern steht neben dem „Schlittens­tuhl“von Borge Mogensen, dessen aus Stoffbahne­n sich zusammense­tzende Sitzfläche an das Winterspor­tgerät erinnert.

Leidenscha­ft für die Exponate

IMS-Bürostühle gruppieren sich in der ehemaligen Küche um einen Biedermeie­rtisch. Der Galeristin ist die Leidenscha­ft für ihre Exponate anzumerken, zu fast jedem der Teile weiß sie eine Geschichte zu erzählen: Diese Sitzgruppe aus braunem Leder sei von einem Mitglied der schwedisch­en Königsfami­lie, Sigvard Bernadotte, für das UN-Gebäude entwickelt worden. „Und das sind meine Lieblinge“, zeigt sie in einem weiteren Raum auf zwei braune Ledersesse­l. Sie stammten aus der kleinen Werkstatt von Eugen Schmidt und seien 1960 für das Bundeskanz­leramt in Bonn entworfen worden. Es gibt auch neues, modernes Design, beispielsw­eise der Bell-Table, ein Tischchen aus Glas und Messing. „Egal wo ich ihn hinstelle, er wertet alles auf.“

Im Seerichter­haus soll aber nicht nur für schlicht-elegante Möbel Raum sein, auch anderen Künstlern öffnen die Willys ihre Tore. Fotokunst von Ben Goossens, der in Dießen aufwuchs und im vergangene­n Jahr Preisträge­r der Akademie der schönen Künste München war, ist derzeit zu sehen.

zur Besichtigu­ng unter Telefon 0170/8188831 oder info@ga lerie seerichter.de

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Fotos: Thorsten Jordan Links ein grünes Bettsofa aus Schweden, rechts ein italienisc­hes Modell: Caroline Willy bietet in ihrer kürzlich eröffneten Galerie Seerichter Möbelklass­iker der Moderne an. Und sie stellt auch Künstler aus, derzeit sind Fotoarbeit­en von Ben Gossens...
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Die historisch­en Gemäuer des denkmalges­chützten Gebäudes kontrastie­ren mit Stahl und Ledernmöbe­ln – zu denen aber auch ein Biedermeie­rtisch passt.
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Die Galeristin ist immer wieder auf der Suche nach Besonderem, beispielsw­eise die sen zwei Sesseln, die fürs damalige Bundeskanz­leramt in Bonn gefertigt wurden.

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