Landsberger Tagblatt

Ein guter Bandenchef

Als Marco Sturm die Eishockey-Nationalma­nnschaft übernahm, lag sie am Boden. Der Deggendorf­er lebt in Florida, doch die Heimat ist ihm wichtig

- Milan Sako Foto: Andreas Gebert,dpa

Auch nach 20 Jahren in Florida wundert sich Marco Sturm über Kleinigkei­ten. „Wenn ich in Flipflops den Christbaum abhole, dann ist das schon komisch.“Irgendwie vermisst er es wohl doch, sein altes Leben in der bayerische­n Heimat. Der gebürtige Deggendorf­er genoss den außerplanm­äßigen Besuch im vergangene­n Dezember. Erstmals sei er mit der Familie zum Heiligen Abend nach Landshut gekommen. „Weihnachte­n im richtigen Winter. Das hat schon was, auch wenn der Schnee gefehlt hat“, erzählt der 38-Jährige, der in seinem Leben viel unterwegs war.

Über 1000 Spiele bestritt der Eishockey-Profi in der National Hockey League. In der NHL spielen die Besten der Besten und verdienen nebenbei auch noch am besten. Ein Vierjahres­vertrag war den Boston Bruins immerhin 14 Millionen Dollar wert gewesen. Nach dem Ende seiner Karriere blieb der als „German Rocket“gefeierte Stürmer mit seiner Frau Astrid, Sohn Mason Joseph (13) und Tochter Kaydie (10) in Florida. Dort erreichte Sturm im Frühjahr 2015 der Anruf des verzweifel­ten Franz Reindl. Der Präsident des Deutschen EishockeyB­undes suchte einen neuen Bundestrai­ner, eine Identifika­tionsfigur. Denn der Pucksport lag am Boden. Der Sturm-Vorgänger Pat Cortina war bei den Nationalsp­ielern so beliebt wie der Zahnarzt. Keiner wollte hin. Es hagelte Absagen, die Ergebnisse waren mies. Drei Mal in Folge wurde das WM-Viertelfin­ale verpasst – und viel schlimmer: erstmals auch Olympia 2014 in Sotschi.

Sturm feierte beim Deutschlan­d-Cup 2015 in Augsburg sein Trainer-Debüt und auf Anhieb Erfolge. Der 38-Jährige korrigiert­e den Olympia-Unfall, 2018 in Pyeongchan­g jagen die Deutschen dem Puck wieder hinterher. In der ersten Sturm-WM erreichte das Team 2016 wieder das Viertelfin­ale. Entspreche­nd hoch sind die Erwartunge­n beim laufenden Heimturnie­r in Köln. Sturm hat das Feuer bei den Profis wieder entfacht. Der Bundestrai­ner ist der beste Bandenchef seit Jahren. Sieben WM-Gruppenspi­ele in zwölf Tagen bedeuten für den Coach Dauerstres­s. Nach dem Match bereitet Marco Sturm die Videoanaly­sen auf, studiert den nächsten Gegner und plant das Training. „Die Nächte sind kurz“, erzählt der Coach, der außer der Eishalle und dem Hotel noch nichts von der Stadt gesehen hat. „Von meinem Balkon habe ich einen schönen Blick auf den Kölner Dom.“Niederlage­n wie gegen Schweden (2:7) oder Russland (3:6) werfen den Niederbaye­rn nicht aus der Bahn. Dann streut er mit einem Lächeln um die Mundwinkel Sätze in seine Spielanaly­se ein wie: „Ich hoffe, dass morgen die Sonne wieder scheint.“

Ziel der deutschen Mannschaft ist mindestens Platz vier in der Achtergrup­pe und damit das Viertelfin­ale. Manche träumen vom Halbfinale wie bei der Heim-WM 2010 – ebenfalls in Köln. Egal wie das Turnier endet, im Sommer fliegen alle Sturms zum ausgiebige­n Familienbe­such für zehn Wochen von Florida nach Landshut: „Das machen wir seit 20 Jahren so, und ich freu mich jedes Jahr darauf.“

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