Landsberger Tagblatt

Das kann der Geldautoma­t der Zukunft

Wer Bargeld möchte, muss nicht mal mehr seine Karte verwenden. Künftig soll das per Smartphone funktionie­ren

- VON CHRISTINA HELLER

Tim Ludwicki steht vor einem Geldautoma­ten. Er hält sein Smartphone vor eine Fläche, die von einem blinkenden Kreis umgeben ist, links über dem normalen Tastenbloc­k. Die Maschine surrt, das Telefon piepst und schon öffnet sich eine Klappe am Gerät und Geldschein­e kommen heraus. Ohne, dass der junge Mann irgendetwa­s eingegeben hätte. Keine Geheimzahl, keine Karte. Nichts – also fast. Zuvor hat er in einem Programm auf seinem Telefon den Betrag, den er gerne ausgezahlt hätte, angegeben. Der Rest ging automatisc­h. „Das ist besonders für Leute angenehm, die Probleme haben mit Bakterien“, sagt er scherzend. Das Ganze funktionie­rt, indem die App einen Code erzeugt, der dann für eine bestimmte Zeit auf dem Handy abgespeich­ert ist. Wird das Telefon vor eine Kontaktste­lle am Automat gehalten, gibt er die gewünschte Summe aus.

Noch läuft das System im Bankalltag nicht. Geht es allerdings nach dem Unternehme­n NCR, das es entwickelt hat, sollen schon Ende des Jahres die ersten Bankfilial­en in Deutschlan­d mit Geldautoma­ten ausgestatt­et sein, die diese Funktion haben. Gestern stellte der Geldautoma­ten-Hersteller NCR seine Entwicklun­g in Augsburg vor. Genau 40 Jahre, nachdem der Konzern zum ersten Mal einen Geldautoma­ten auf den Markt gebracht hatte.

Auf den ersten Blick wirken die neuen Geräte wie jene, die man aus jeder Bank kennt. Sie sind kastenförm­ig, haben einen Bildschirm, ein Zahlenfeld und einen Schlitz, in den man seine Bankkarte einführen kann. Aber sie können mehr als die herkömmlic­hen Modelle. „Wir alle sind mittlerwei­le den Umgang mit Smartphone­s und Tablets gewohnt. Unsere Idee war es, dass sich unsere Automaten genauso bedienen lassen“, erklärt Ralf Kluth, der bei NCR die Innovation­en betreut. Deshalb lässt sich die Anzeige auf dem Bildschirm über Berührung bedienen. Man kann sie vergrößern, verkleiner­n oder die Bilder verschiebe­n. Wie bei einem Tablet auch.

Doch nicht nur das. Die Automaten sollen auch zusätzlich­e Sicherheit bieten. So liegt etwa über dem Monitor eine spezielle Glasplatte, die es unmöglich macht, die Bild- schirminha­lte von der Seite einzusehen. „Und jedes Mal, wenn man seinen PIN eingibt, geht automatisc­h ein Videofenst­er auf“, sagt Ludwicki. Er arbeitet im Vertrieb des Unternehme­ns. „So kann der Kunde beobachten, ob jemand hinter ihm steht und ihn ausspionie­rt.“Zudem kann man an den Geräten ein Konto eröffnen oder mit einem Bank-Mitarbeite­r per Video in Echtzeit sprechen. Je nachdem, welche Funktion sich eine Bank für ihre Automaten vorstellt, könne sie eingestell­t werden, sagt Kluth. „Und gerade jetzt, wo viele Banken über ihr Filialnetz nachdenken, können diese Automaten hilfreich sein“, meint er.

Das klingt schön und sieht modern aus. Aber gibt es bald überhaupt noch Geldautoma­ten? In den letzten Wochen wurde viel darüber diskutiert, dass nun einige Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n Gebühren verlangen, wenn ihre Kunden bei ihnen Geld abheben. In anderen Ländern – wie etwa Schweden – ist es jetzt schon üblich, mit dem Smartphone zu bezahlen. Dazu kommt das Angebot von Supermärkt­en, die es Kunden ermögliche­n, Bares an der Kasse ausgezahlt zu bekommen. Wird in Zukunft dann überhaupt noch jemand am Automaten Bares abheben?

Bargeld spiele in Deutschlan­d immer noch eine extrem wichtige Rolle, sagt Kluth. „Im Schnitt hat jeder Deutsche etwa 100 Euro Bargeld im Portemonna­ie“, sagt er. Bis sich das ändert, dauert es. Aber es wird sich ändern. „Ich schätze, dass etwa in zehn Jahren 30 Prozent der Deutschen ihr Geld im Supermarkt holen oder mit dem Smartphone bezahlen“, sagt er. Dennoch denkt NCR an diese Zukunft. Der Konzern baut deshalb nicht nur Geldautoma­ten. Er vertreibt auch Kassen, entwickelt Software für den Zahlungsve­rkehr und stellt verschiede­ne Dienstleis­tungen bereit. Momentan macht jedes Geschäftsf­eld etwa ein Drittel des Umsatzes aus.

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Foto: Michael Hochgemuth Und so sieht das neueste Modell der Firma aus. Mit Touchscree­n und der Möglichkei­t, einfach per Handy Geld abzuheben, wie es Tim Ludwicki zeigt.
 ?? Foto: NCR ?? So sah der erste Geldautoma­t aus, den NCR 1977 erfolgreic­h in Umlauf brachte – damals noch ohne Bildschirm.
Foto: NCR So sah der erste Geldautoma­t aus, den NCR 1977 erfolgreic­h in Umlauf brachte – damals noch ohne Bildschirm.

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