Jede Stunde genießen – seit 65 Jahren
Hedwig und Adolf Wegele aus Utting feiern Eiserne Hochzeit. Von Liebe auf den ersten Blick und viel Arbeit
Utting Hedwig Wegele strahlt übers ganze Gesicht. Vorsichtig legt sie den Arm um Ehemann Adolf, der nun auch lächelt. Sie betreten den Uttinger Bürgertreff, werden mit Akkordeon-Musik und vielstimmigem Gesang begrüßt: „Hoch soll’n sie leben, dreimal hoch!“Umarmungen, Händeschütteln, gerührtes Wiedersehen – die Wegeles sind Uttinger Urgesteine und kennen fast jeden der Alten, die zum festlichen Mittagessen hierher gekommen sind. Zwei lange Tafeln mit Blumenschmuck und Kerzen laden ein.
„Wie im Paradies fühl’ ich mich“, sagt Hedwig, nachdem sie mit ihrem Mann den Ehrenplatz eingenommen hat, vor sich die extra große Kerze mit einer „65“drauf. Und noch mal: „Wie im Paradies, nicht nur heute ...“Sie drückt die Hand von ihrem Adi und gießt ihm Apfelsaft in ein Glas. Adi lächelt glücklich. Er kommt mit Hedwig regelmäßig zum Mittwochsmittagstisch in den Bürgertreff, die beiden fühlen sich hier geborgen und umsorgt. Bürgermeister Josef Lutzenberger ist zum Gratulieren gekommen. Auch er ein Uttinger Urgestein, wenn auch jüngeren Datums. Es macht ihm sichtlich Freude, dem eisernen Ehepaar die Glückwunschkarten der Gemeinde, des Landrats und sogar des Ministerpräsidenten zu überreichen. Den üblichen Fresskorb hat er nicht mitgebracht, die Wegeles hatten sich stattdessen einen Gutschein für die Gärtnerei Streicher gewünscht.
Hedwig Wegele stammt aus dem Sudetenland. 1946 war sie als 17-Jährige mit ihrer Familie von dort ausgesiedelt worden und war, wie viele Sudetendeutsche, in Utting gelandet. Adolf Wegele ist in der Ammerseegemeinde geboren.
„Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Hedwig heulte. „Ich bin damals am Ammersee-Ufer spazieren gegangen, da kam er daher, der Adi, und ich wusste: Der muss es sein und kein anderer!“Und auch er war von der hübschen Schwarzhaarigen beeindruckt. Gerade erst war er aus Kriegsgefangenschaft zurückgekommen.
Nach der Liebe auf den ersten Blick dauerte es noch fünf Jahre, bis am 10. Mai 1952 in der Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt die Hochzeitsglocken für Hedwig und Adolf läuteten. Sie wohnten dann auf dem Hof der Familie Wegele in der Hofstattstraße, bekamen zwei Kinder und betrieben Landwirtschaft. Adolf Wegele arbeitete zusätzlich als Maurer. Ein arbeitsreiches Leben zwischen Baustellen, Stall- und Feldarbeit. Außerdem liebte Adi den Wald und verbrachte viele Stunden der Woche bei der Waldarbeit, er war Mitglied bei der Feuerwehr und der Wasserwacht. Ein Wochenende zum Ausruhen gab es nicht. Denn da wurde auf der Hofstelle ein neues Haus gebaut. Ihre Kraft schöpften die Wegeles aus dem Glauben. Adi nahm an vielen Pilgerfahrten teil: in die Schweiz, nach Italien, Frankreich (Lourdes), nach Israel. Hedwig musste inzwischen Kinder und Kühe versorgen. So war das damals eben. „Je länger man verheiratet ist, desto mehr wächst man zusammen“, sagt Hedwig Wegele heute, „wir genießen jede Stunde miteinander.“Und so lassen sie sich am Tag ihrer Eisernen Hochzeit im Bürgertreff feiern, genießen Kalbsgulasch mit Spätzle und hinterher ein köstliche Tiramisu. Dann wird gemeinsam gesungen: „Der Mai ist gekommen“. Pepi Ernst trägt Gstanzln und ein Melodien-Potpourri zum Akkordeon vor, und Pit Tlaskal, der Neffe von Hedwig und Adi, singt zusammen mit Pepi Lieder zum Mitklatschen. „Wie im Paradies“, sinniert Hedwig leise vor sich hin. Adi lächelt.