Der Donnerstag ist sein Schraubertag
Georg Kaiser aus Utting restauriert Vespas. Wie es dazu kam und was es für ihn bedeutet
Utting Ein dunkles Blechteil, rau überzogen mit Rostschutzfarbe, lässt nur entfernt erkennen, worum es sich handelt: Den Korpus einer Vespa. „Das wird was Schönes“, sagt Georg Kaiser, „das ist eine Vespa 50 N 2 von 1966. Als Vorsitzender des TSV Utting kennen viele den 56-Jährigen, oder als Inhaber der gleichnamigen Haustechnikfirma. Jeden Donnerstag ist er jedoch in der Garage unter seinem Haus zu finden, beschäftigt mit einem oder mehreren Rollern. „Der Donnerstag ist mein Schraubertag.“
Eigentlich ist seine Frau Sabine schuld: „Wir brauchen eine Vespa“, stellte sie vor einigen Jahren nach dem Besuch des Kinofilms „Pünktchen und Anton“fest. Denn da wurde mit einem derartigen Roller vorgefahren. „Ich hab’ dann eine dunkelrote ’PK 125 XL’ in Windach gekauft“, erzählt Kaiser. Es sei damals jedoch schwierig gewesen, jemanden zu finden, der so eine Vespa wieder herrichtet. Also machte sich Georg Kaiser selbst daran: Wie jeder, der auf dem Land aufwuchs – Kaiser am Rand von München und in Windach –, hatte auch er als Jugendlicher an Mofas herumgeschraubt. Und wie es sich bei einer Familie mit drei Töchtern ergibt, wurde ein weiterer Roller für die Kinder angeschafft, und als die Älteste auszog, musste der nächste Roller her. So wurde Kaiser, der früher eine BMW fuhr, vom „Vespa-Fieber“ergriffen.
Ihn fasziniert, wenn so ein altes Zweirad wieder ein neues Gesicht bekommt. Und so will er auch bei der zweiten auseinandergebauten Vespa, die in der Garage steht, versuchen, den Originalzustand wieder hinzubekommen. Wie von Motten zerfressen wirkt das Schutzblech fürs Vorderrad, hier hat der Rostfraß zugeschlagen. Sicherlich könne er ein neues Schutzblech beim SIP Scootershop kaufen, so Kaiser, es gebe alle Bauteile. „Der Reiz ist aber, es zu versuchen, so Kaiser. Zwei Stunden werde er jetzt daran hinbasteln, die schadhafte Stelle mit der Flex herauszuschneiden und ein neues Blech einzupassen. „Und dann kann ich sagen, ich habe einen Kotflügel von 1968 eingebaut.“
Kaiser restauriert die kleinen italienischen Kultroller, das heißt, er übernimmt die Blech- und Spenglerarbeiten, er spachtelt und macht die Farbgrundierung, bringt die Maschinen aber dann zum professionellen Lackierer. „Der Motor wird komplett zerlegt, gereinigt und gelagert und ich setze neue Simmerringe ein“, erzählt der Uttinger. Wenn es um die Straßentüchtigkeit geht, dann ist jedoch immer eine professionelle Werkstatt gefragt. „Braucht ein Roller den TÜV, kommt er in eine Werkstatt zum Drüberschauen.“Kaiser reizt nicht nur das Schrauben und Polieren, es ist auch das Recherchieren und Nachforschen, wie der Roller ursprünglich aussah – und damit das Eintauchen in die weltweite VespaCommunity. Vor gut einem Jahr habe er eine „VBB 150, Baujahr 1963“im Internet ersteigert, als Restaurationsobjekt. Bei dieser habe die Rahmennummer nicht zum Modell gepasst. Also fragte Kaiser beim Verkäufer nach, und es stellte sich raus, dass die VBB aus Asien importiert wurde, „Afghan“war auf den Frachtbriefen zu lesen.
Auf einer Scooter-Seite im Internet schilderte Kaiser sein Problem, und ein Chatpartner konnte ihm weiterhelfen: Der Stempel sei von einem Vespahändler aus Pakistan namens Tanvir Afghan. Kaiser nahm Kontakt auf, und dem Pakistani – einem Piloten, der selbst dem Vespafieber anheimgefallen ist – war die Sache mit der falschen Rahaber mennummer sehr peinlich. Er sicherte dem Uttinger eine weitere Vespa als Geschenk zu und beide sind seitdem in Mailkontakt. Kaiser hätte gerne Archäologie studiert, und ein wenig kommt diese Suche nach dem richtigen Urzustand dieser Leidenschaft nahe, dem Forschen, was einst war. Er wälzt Literatur, um die Zweiräder möglichst originalgetreu nachzubilden.
Beruflich setzt sich der Familienvater eher mit Zukunftstechnologien wie der Fotovoltaik auseinander. „Meine Arbeit in der Firma macht schon Spaß, sie ist fokussiert auf die Zukunft, beim Vesparestaurieren geht es ums Forschen, wie war’s damals.“Außerdem gehe es bei der Vespa um Ästhetik, was bei einer Solaranlage weniger der Fall sei. So gönnt sich Kaiser bewusst einen Tag in der Woche, um sich seinen Rollern – mittlerweile 27 Stück – zu widmen. Sich neben der Firma noch Zeit für ein Ehrenamt zu nehmen, dem Vorsitz des TSV Utting, zu nehmen, hat Kaiser freilich schon in den vergangenen neun Jahren gelernt. Hier sei es durch den Umbau des Vorstands, das heißt, einer Erweiterung um eine Gebäudeverwaltung und einen dauerhaften Festausschluss gelungen, Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, sodass die Belastung für jeden tragbar ist. „Der TSV ist eine absolut positive Arbeit.“
Und Kaiser scheut auch nicht vor einem noch weitergehenden Schritt zurück: Er will in absehbarer Zeit die Technische Leitung im Unternehmen an zwei Gesellschafter übergeben. „Es sind zwei Meister im Alter von 26 und 30 Jahren, die menschlich und fachlich qualifiziert sind.“Beide hätten genau das richtige Alter, er selbst habe mit 25 Jahren sein Unternehmen gegründet und sei nun 31 Jahre selbstständig. Er selbst werde nur noch als Gesellschafter der GmbH und Berater tätig sein, die jüngste Tochter wolle aber nach ihrem BWL-Master ins Unternehmen einsteigen.
So bleibt mehr Zeit für Kaisers kleine Rollerfirma „Vespa vom See, VVS“mit der Vespa samt Segel als Logo, das auch seine Latzhose ziert. Er handelt und vermittelt Roller. Beim Restaurieren lässt sich kaum etwas verdienen, wobei es für Kaiser nicht ums Geldverdienen geht. „Das Werden ist so schön“, schwärmt er vom Basteln an den Zweirädern. Und es falle schwer, das schöne Teil herzugeben. Aber man kann Vespas auch sammeln – als Wertanlage. Kaiser will auch dem Vespaclub Utting beitreten, einer Gruppe von Rollerfans, die Ausfahrten organisieren. Ein Alltagsverkehrsmittel sind die restaurierten Maschinen für Kaiser nicht, höchstens mal, um zur Eisdiele zu fahren. Und er freut sich auf die nächste Lieferung mit einem seltenen Modell: „Da ist was Besonderes darunter, eine Sprint Veloce 150 von 1976.“