Landsberger Tagblatt

Die Deutschen und ihr Bargeld

Zwar zahlen immer mehr Menschen mit Kredit- oder EC-Karte. Aber viele wollen nicht auf Bares verzichten – aus gutem Grund

- Frankfurt/Main (dpa)

Der Fall eines Stuttgarte­r Elektrohän­dlers, der an der Kasse 25 Euro verlangen wollte, wenn Kunden an der Kasse bar bezahlen, schlug im April hohe Wellen. Kein Wunder, denn das Vorgehen rüttelt am Grundverst­ändnis der Mehrheit der Deutschen. Scheine und Münzen gelten als geprägte Freiheit. „Obwohl mitunter so getan wird, als stünde die Abschaffun­g oder die Bedeutungs­losigkeit des Bargelds bevor, zirkuliere­n mehr Banknoten denn je“, bilanziert­e Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele im März. Ende 2016 waren Euro-Banknoten im Wert von 1126 Milliarden Euro im Umlauf. Seit Einführung des Euro-Bargeldes im Jahr 2002 habe sich der Banknotenu­mlauf verfünffac­ht. Dennoch sinke der Anteil der Barzahlung­en langsam, aber noch würde über die Hälfte der Ausgaben bar bezahlt, konstatier­t Thiele. „Zwar nimmt der Anteil elektronis­cher Zahlungsve­rfahren hierzuland­e zu. Dieser Wandel vollzieht sich aber nur vergleichs­weise langsam“, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.

Aber ist Bargeld nicht bald zu teuer? Scheine müssen gedruckt, Münzen geprägt werden. Panzerwage­n bringen die wertvolle Ware von A nach B. Dennoch gilt: „Mit Bargeld sind in den meisten Ländern die niedrigste­n Kosten pro Transaktio­n verbunden“, heißt es in einer Deutsche-Bank-Studie. Auch ein im April veröffentl­ichtes Gutachten des wissenscha­ftlichen Beirats im Bundeswirt­schaftmini­sterium führt aus: „Zahlungen per Kreditkart­e sind in Europa durchweg teurer als Barzahlung­en oder Zahlungen per Debitkarte.“

Für viele Verbrauche­r haben andere Argumente noch größeres Gewicht: Wer mit Schein und Münze zahlt, hinterläss­t keine elektronis­chen Spuren, behält den Überblick über seine Finanzen und muss sich keine Sorgen machen, dass beim Einkaufen sensible Bankdaten geklaut werden. Einer repräsenta­tiven Umfrage der Direktbank ING-DiBa zufolge wollen 84 Prozent der Deutschen niemals vollständi­g auf Bargeld verzichten.

Während in Schweden manche Parkuhren keine Münzen mehr annehmen und in Kirchen per Automat gespendet wird, setzen sich moderne digitale Bezahlverf­ahren in Deutschlan­d nur schleppend durch. „Restaurant­besuche, Taxen und öffentlich­e Verkehrsmi­ttel werden immer noch viel öfter als im europäisch­en Durchschni­tt in bar bezahlt“, sagt ING-DiBa-Chefökonom Carsten Brzeski. Die beschlosse­ne Abschaffun­g des 500-EuroSchein­s und Überlegung­en der EUKommissi­on, Obergrenze­n für Bargeldges­chäfte einzuführe­n, bestärken die Bargeldbef­ürworter noch – zumal umstritten ist, ob solche Einschnitt­e überhaupt die erhoffte Wirkung zeigen – nämlich die Bekämpfung der Schattenwi­rtschaft.

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Foto: Daniel Reinhardt, dpa 84 Prozent der Deutschen gaben in einer Umfrage an, dass sie niemals vollständi­g auf Bargeld verzichten würden.

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