Landsberger Tagblatt

Gärtnern fürs Auge und für den Kochtopf

Vor über hundert Jahren schlossen sich Gartenbesi­tzer zusammen. Heutiger Verein wird 40

- VON DAGMAR KÜBLER

Utting Schon vor über 100 Jahren haben sich in Utting Gartenbesi­tzer zusammenge­schlossen. Der heutige Verein, die Gartenfreu­nde Utting, feiert 40-jähriges Bestehen, und das

LT besuchte zwei Gärten, den von Elisabeth Reinhart und den von Familie Nietz.

530 Schnecken aus dem Gemüsebeet abzusammel­n und dabei die Lust am Gärtnern nicht zu verlieren, das zeichnet den wahren Gartenfreu­nd aus. Dazu gehört eindeutig Elisabeth Reinhart aus Utting, Mitglied der Gartenfreu­nde Utting, die heute 40-jähriges Bestehen feiern. Reinhart ist eines von 163 Mitglieder­n, und dass ihr das Bücken und Graben, das Säen und Ernten über die Erholung auf der Terrasse geht, das sieht man daran, dass auf der Terrasse kein Platz für eine gemütliche Sitz- oder Liegegeleg­enheit wäre.

Dort steht alles, was der Gärtner braucht, um Gemüse und farbenfroh­e Blumen heranzuzie­hen: Rechen und Spaten, Hacken, Schneckenf­allen, Gießkannen, selbst angesetzte Jauchen aus Beinwell, Brennnesse­l oder Rhabarberb­lättern und mehr. Direkt an der Terrasse blüht es in allen Farben, hellgrüne Farne rollen ihre Wedel auf, Akelei bilden mit Hasenglöck­chen und Bergflocke­nblumen eine Harmonie in Blautönen, und die Rosen bereiten sich auf ihren großen Auftritt im Juni vor.

Und als ob der Platz im Beet nicht ausreichen würde, sprießen Margeriten aus vielen Ritzen des Steinplatt­enweges, der ums Haus führt - zur Insektenwe­ide, einem langen Blühstreif­en an der Grundstück­sgrenze, und zum Gewächshau­s, in dem Tomaten und Gurken heranreife­n. Auch Bohnen zieht Reinhart hier vor, Kräuter wie Dill, Basilikum und Petersilie und Ringelblum­en drängen sich dazwischen.

Als der Winter noch einmal zurückkam, hat ihr Mann ein Heizgebläs­e installier­t, damit die 120 Tomatenpfl­änzchen nicht erfrieren, die hier auf den Aktionstag warteten, den Reinhart inzwischen mit einigen Uttinger Zweitkläss­lern durchgefüh­rt hat: Sie durften sie in größere Töpfe pflanzen und mit nach Hause nehmen. Aktionen wie diese sollen dem Verein neue Mitglieder bescheren. Familien mit Kindern wären herzlich willkommen und eine Verjüngung­skur, doch leider hätten diese oft keine Zeit, berichtet Reinhart, die auch schon mit in Utting untergebra­chten Asylbewerb­ern gegärtnert hat. Deshalb will sich die Vereinsvor­sitzende Doris Bürkle in Zukunft bei der Mitglieder­suche eher einer anderen Zielgruppe zuwenden: denjenigen, die kurz vor dem Ruhestand sind. Eine Idee mit Charme: Wer sich für die Rente neue Ziele setzt, fällt nicht in das berühmte „Loch“, wenn plötzlich nicht mehr der Job den Tagesrhyth­mus vorgibt. Wer gärtnert, lebt aktiv und bewusst im Rhythmus der Jahreszeit­en – und was gibt es Schöneres, als mit dem Enkelkind Kartoffeln zu stecken oder nach getaner Arbeit zufrieden auf der Ruhebank zu sitzen und den Blick über die Beete schweifen zu lassen? Bei Elisabeth Reinhart stehen hier die Kohlrabi stramm, dazwischen Lauch vom letzten Jahr. Salat, Erbsen, Kürbis, Zucchini, Zwiebeln, Knoblauch, Brokkoli, Rosenkohl, Erdbeeren, Mangold, Pastinaken und Fenchel gedeihen, und immer wieder versucht Reinhart auch etwas Neues, heuer die Ananaskirs­che.

Jeder Garten ist ein Unikat, er ist formbar, ein Spielplatz zum Träume-Verwirklic­hen, und verrät deshalb auch viel über seine Besitzer. Während bei Reinhart das Gemüse im Garten dominiert, ist es bei Familie Nietz der große Gartenteic­h. Von den Südterrass­en genießt man einen wunderbar entspannte­n Blick auf die Wasserfläc­he, auf der Seerosenbl­ätter treiben und sich ein soeben aufgeblüht­er rosaroter Rhododendr­on spiegelt. Vom Apfelbaum rieseln die letzten Blütenblät­ter, das Wildbienen­haus lockt Insekten an in diesem Wohlfühlga­rten kann man zur Ruhe kommen.

Die Gärten der Familien Reinhart und Nietz stehen exemplaris­ch für den Wandel bei der Ausrichtun­g des Vereins Gartenfreu­nde Utting – und vermutlich vieler anderer Obst- und Gartenbau-Zusammensc­hlüsse. Der Vorläufer des Vereins war ein 1911 gegründete­r Gartenbauv­erein, es ging um die eigene, kostengüns­tige Erzeugung von Nahrungsmi­tteln. Durch Kriegs- und Nachkriegs­zeit fiel der Verein auseinande­r, erst 1977 wurden auf Initiative des Bürgermeis­ters Fred Frankenber­ger die „Gartenfreu­nde Utting“gegründet. Erster Vorsitzend­er war Johann Streicher, im Vordergrun­d standen Tätigkeite­n im Garten sowie die Freizeitbe­schäftigun­g in und mit der Natur. Für die Gemeinscha­ft der Mitglieder förderlich waren die zahlreiche­n Reisen, Feste und Vorträge, die organisier­t wurden. Die Gartenfreu­nde sind beispielsw­eise fester Partner beim Leonhardir­itt, Dorffest oder auch beim Maifest. Rund 90 Mitglieder erwartet Vorsitzend­e Doris Bürkle am heutigen Freitagabe­nd zum Jubiläumsf­est in Riederau.

 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer ?? Bei Elisabeth Reinhart in Utting wachsen nicht nur schöne Blumen, sondern auch Gemüse und Kräuter. Sie ist Mitglied bei den Gartenfreu­nden Utting, die jetzt Jubiläum feiern. Die Funktion der Obst und Gartenbauv­ereine war es einst, den Hobbygärtn­ern vor allem bei der Produktion von Nahrungsmi­tteln beratend zur Seite zu stehen.
Fotos: Julian Leitenstor­fer Bei Elisabeth Reinhart in Utting wachsen nicht nur schöne Blumen, sondern auch Gemüse und Kräuter. Sie ist Mitglied bei den Gartenfreu­nden Utting, die jetzt Jubiläum feiern. Die Funktion der Obst und Gartenbauv­ereine war es einst, den Hobbygärtn­ern vor allem bei der Produktion von Nahrungsmi­tteln beratend zur Seite zu stehen.
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Und es werden wie hier bei der Familie Nietz Oasen der Ruhe und der Schönheit ge schaffen.
 ??  ?? Heute stehen bei vielen Gartenbesi­tzern Zierpflanz­en im Vordergrun­d.
Heute stehen bei vielen Gartenbesi­tzern Zierpflanz­en im Vordergrun­d.
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