Neues Problem für den Wohnungsbau
Das Bayerische Baugewerbe kritisiert, dass Auflagen der Politik Erde zu Abfall machen. Manche erinnert das an die Styropor-Krise. Was steckt dahinter?
Regeln, die nicht einzuhalten seien, immense Kosten verursachen und, obwohl es das Ziel ist, der Umwelt nicht helfen. Das ist der Vorwurf des Bayerischen Baugewerbes und ihres frisch gewählten Präsidenten Wolfgang SchubertRaab. Bei einer Podiumsdiskussion im Haus der Bayerischen Wirtschaft fragte er: „Wer hätte gedacht, das Boden plötzlich Abfall sein kann?“
Es geht um Umweltauflagen, um bestehende und um geplante. Das Bundeskabinett hat kürzlich eine Verordnung gebilligt, die Regelungen zum Teil verschärfen und bundesweit vereinheitlichen soll. Wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen, wird sie wirksam.
Schubert-Raabs Kritik gilt vor allem den Grenzwerten, ab denen Böden als belastet gelten. Die sollen das Grundwasser schützen. Etwa bei Arsen – ein schlimmes Gift, wie Schubert-Raab selbst sagte. Aber die Grenzen seien zu niedrig, ein Boden mit 30 Milligramm pro Kilo Erde müsse bereits abgetragen werden. Bei einer so geringen Belastung müssten dann Lkws tonnenweise Erde abtransportieren und zu weit entfernten Deponien bringen – ökologisch sei das Unsinn. Und es sorge für Kostensteigerungen von zehn bis 15 Prozent.
Für die Kommunen sprach Bernrieds Bürgermeister Josef Steinberger, Präsidiumsmitglied des Gemeindetages. „Alle sind stinksauer“, fasste er die Stimmung zusammen. Allein die Prüfung, ob die Erde denn nun belastet sei, koste zuviel. Bei einem vergleichsweise kleinen Bauprojekt seiner Gemeinde waren es 27 000 Euro, bevor über- haupt etwas gebaut war. Durch diese Verteuerung sei sozialer Wohnungsbau „nicht mehr tragbar.“
Zudem wird der Platz auf den Deponien knapp. Das Landesamt für Umwelt hat berechnet, dass die bayerischen Deponien bis 2025 ausreichen. Wegen strengerer Richtlinien musste die Bauindustrie in Bayern 2016 sechs Millionen Tonnen in Deponien bringen – 2010 waren es noch 3,7 Millionen Tonnen. Steinberger erklärte, Baugrund für neue Deponien zu bekommen, sei für Kommunen nahezu unmöglich.
So ganz verantwortlich fühlte sich keiner der Politiker, die an der Podiumsdiskussion teilnahmen. Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf zeigte zwar Verständnis für die Branche, sagte aber auch: „Beim Grundwasser und beim Trinkwasser, da werde ich streng.“Doch die geplante Verordnung ist Sache des Bundes. Neben Scharf, SchubertRaab und Steinberger saßen mit Bernhard Roos (SPD) und Eberhard Rotter (CSU) zwei Landtagsabgeordnete und mit Sebastian Körber (FDP) ein stellvertretender Landesvorsitzender auf dem Podium. Roos verteidigte seine Parteikollegin, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, indem er erklärte, die bestehenden Regelungen seien „auch keine optimale Lösung“. Aktuell gibt es für die Entsorgung der Erde keine bundesweit einheitliche Regelung. Daher fahren Bauunternehmen häufig Deponien in anderen Bundesländern an und nehmen längere Wege in Kauf. CSU-Politiker Rotter stimmte den Industriellen zu: „Es darf nicht so teuer werden, dass wir es uns das nicht mehr leisten können“, sagte er.
Dass neue Regeln in diesem Bereich problematisch werden können, erfuhren im Herbst 2016 auch Privatpersonen. Zeitweise galt Styropor als gefährlicher Abfall, viele Wertstoffhöfe und Verbrennungsanlagen nahmen es nicht mehr an. Die Kosten, um ein Kilo davon zu entsorgen, stiegen von gut 100 Euro pro Kilogramm auf bis zu 8000 Euro. Die Lage entspannte sich, weil entschieden wurde, dass Styropor zumindest bis Dezember 2017 wieder als ungefährlich gilt.