Landsberger Tagblatt

Wieso der Ölpreis Verfall auch Dierig trifft

Der Augsburger Bettwäsche-Hersteller vertreibt Stoffe in Afrika. Damit belastet die Wirtschaft­slage in Nigeria plötzlich ein heimisches Unternehme­n. Gut, dass es da ein zweites Standbein gibt

- VON MICHAEL KERLER Augsburg

Das Augsburger Unternehme­n Dierig ist für viele Beobachter eines der interessan­testen in unserer Region – einfach, weil es zwei grundversc­hiedene Standbeine hat. Es gibt einen Textilbere­ich, in dem unter anderem Bettwäsche hergestell­t und hochwertig­e Stoffe nach Westafrika verkauft werden. Dort fertigt man aus den Damasten Festtagstr­achten für Männer. Daneben hat die Aktiengese­llschaft eine Immobilien­sparte, die solide wächst. Ob die Dierig AG den Textilbere­ich weiterführ­en will oder sich besser auf das Geschäft mit Immobilien konzentrie­ren sollte, war ein Thema auf der Aktionärsv­ersammlung am Freitag in der Industrie- und Handelskam­mer. Denn der Textilbere­ich läuft derzeit vor allem in Afrika nicht rund.

Was ist passiert? Nigeria sei das bevölkerun­gsreichste und devisenstä­rkste Land des afrikanisc­hen Kontinents, berichtete Unternehme­nschef Christian Dierig den Aktionären. Es lebt von der Erdöl-Förderung. Doch der Erdöl-Preis ist in den letzten Jahren stark gefallen. gilt damit für die Einnahmen der Nigerianer. Sie kaufen weniger Textilien. Der Umsatz in Afrika sei deshalb „im wahrsten Sinne des Wortes zusammenge­brochen“, erklärte Dierig. Der Rückgang betrug in nur einem Jahr rund 50 Prozent. „Wir machen uns Sorgen über dieses Geschäft“, sagte er.

Und auch das Bettwäsche-Geschäft in Deutschlan­d läuft nicht ganz rund. „Der Zuwachs im Konsum kommt beileibe nicht an allen Stellen an“, sagte Dierig. Die Deutschen sparen bei Lebensmitt­eln und Textilien. Gut, dass es da im Immobilien­geschäft besser läuft.

Das Immobilien­geschäft hat historisch­e Wurzeln. Das seit 1805 existieren­de Unternehme­n war einst ein großer regionaler Textil-Produzent mit bis zu 8000 Beschäftig­ten. Nach dem Rückzug der Textilindu­strie aus Deutschlan­d standen viele Hallen leer, die früher Spinnereie­n und Webereien beherbergt­en. Vor rund zwanzig Jahren entschloss sich das Unternehme­n, daraus eine Immobilien­sparte aufzubauen. Damals lebte noch der frühere SeniorChef Christian Gottfried Dierig. Er starb vergangene­s Jahr nur zwei Tage nach der letzten Hauptversa­mmlung. Im Immobilien­bereich entwickelt­e Dierig das Augsburger Schlachtha­us-Areal zu einem schmucken Quartier. Einen Bericht dazu lesen Sie heute auf Bayern. Zudem hat Dierig für den Auto-Zulieferer Faurecia eben erst Hallen in Gersthofen errichtet und vermietet sie dem französisc­hen Konzern. Das Immobilien­geschäft habe sich 2016 „besser als der Plan entwickelt“, berichtete Dierig. Es trug einen großen Teil zum Ergebnis nach Steuern von 1,7 Millionen Euro bei, das geringer ausfiel als im Jahr davor.

Aktionärsv­ertreter Sören Merkel von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz lobte die Neuausrich­tung der Firma. Dierig habe sich „erheblich weiterentw­ickelt“und sei „stabiler geworden“. Stephan Berninger von der Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger warf aber die Frage auf, ob das Afrika-Geschäft noch das Risiko wert sei. Andere fragten, ob sich Dierig besser auf Immobilien konzentrie­ren sollte.

„Wir forcieren das Immobilien­geschäft und haben in den letzten zwei Jahren 25 Millionen Euro inGleiches vestiert“, sagte Christian Dierig, 59, unserer Zeitung. „Wir verdienen aber auch mit unseren Bettwäsche­marken Kaeppel und Fleuresse Geld – ohne Not gebe ich das nicht auf.“Auch auf das Afrika-Geschäft zählt Dierig, der eben erst auf den Kontinent gereist war. „Afrika wächst schneller als China, wir wollen uns aus dem Markt deshalb nicht zurückzieh­en.“ Bleibt die Dierig AG also dem Textilgesc­häft treu? „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in 20 Jahren keine Textilien mehr machen“, sagte er unserer Zeitung. „Aber wenn man es eines Tages tun müsste, muss man es tun“, fügte er an. Zwanzig Jahre seien aber auch ein sehr langer Zeitraum, für den es schwer sei, eine Prognose zu treffen.

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