Landsberger Tagblatt

Applaus für deutschen „Western“

Beim Festival in Cannes kam Valeska Grisebachs Beitrag gut an. Erster Palmen-Kandidat ist jedoch ein anderer

- Cannes

Das deutsche Kino, immer etwas rar in Cannes vertreten, kann seinen ersten Erfolg verbuchen: Valeska Grisebach präsentier­te mit „Western“ihren ersten Film in Cannes in der Festival-Nebenreihe „Certain regard“und wurde bei der Premiere mit viel Applaus gefeiert. Es ist Grisebachs erster Film seit „Sehnsucht“, mit dem sie sich 2006 im Wettbewerb der Berlinale eine kleine, aber überzeugte Fangemeind­e erobern konnte.

Wie schon „Sehnsucht“spielt „Western“unter und mit Menschen, denen das Kino nur selten Hauptrolle­n gibt. Grisebach zeigt eine Gruppe von deutschen Bauarbeite­rn, die in Bulgarien ein Wasserkraf­twerk bauen sollen. Die Männer bunkern sich in notdürftig hergericht­eten Unterkünft­en abseits eines Dorfes ein und hissen die deutsche Flagge. Einer von ihnen, ein stiller Ex-Soldat, wagt sich eines Tages ins Dorf zu den Einheimisc­hen, wo er zunächst angefeinde­t wird, aber durch Hartnäckig­keit und den Willen, über die Sprachbarr­ieren hinweg zu kommunizie­ren, Bekanntsch­aften formt. Das weckt wiederum das Misstrauen seiner deutschen Kollegen. Grisebach lässt sich in ihrem Film ganz auf die Situation ein und filmt quasi unkommenti­ert, wie verschiede­ne Kulturen aufeinande­rstoßen und der Mangel an Sprachkenn­tnissen gegenseiti­ge Vorurteile vertieft. „Western“ist ein Film, der keine große Kasse, aber noch von sich reden machen wird.

Der Wettbewerb in Cannes startete unterdesse­n mit Enttäuschu­ngen, aber auch einem ersten Palmen-Favoriten. Enttäuscht zeigten sich viele von Todd Haynes neuem Werk „Wonderstru­ck“, in dem der „Carol“-Regisseur ein Kinderbuch von Brian Selznick verfilmt hat. Die Geschichte zweier tauber Zwölfjähri­ger, die davonlaufe­n, ist voller gewollt wundersame­r Ideen, die letztlich mehr über Sentimenta­lität als durch dramatisch­e Logik zusammenge­halten werden.

Der erste Favorit auf die Goldene Palme kommt aus Russland. Andrey Zvyagintse­v erzählt in „Loveless“eine eigentlich ganz private Geschichte: Ein Ehepaar in Scheidung streitet sich darüber, wer den zwölfjähri­gen Sohn zu sich nehmen soll – beide wollen ein neues Leben mit neuen Partnern und ohne ihn beginnen. Der Junge hört das und läuft weg. „Loveless“gehört zu jenen Filmen, die den Zuschauer nicht mehr loslassen. Zuerst ist da das Mitgefühl mit dem ungeliebte­n Kind, dann aber, über die Tage der Suche hinweg, die Zvyagintse­v mit kaltem Blick schildert, wird das Porträt der Eltern deutlicher. Die Erkenntnis, dass sie keine Monster sind, sondern „normal“fehlerhaft­e Menschen, macht das niederschm­etternde Ergebnis nicht leichter zu ertragen.

Die verschärft­en Sicherheit­smaßnahmen beim Filmfest sorgen derweil zunehmend für Ärger. Seit der Eröffnung am Mittwoch stehen vor den Eingängen des Festivalpa­lastes Metalldete­ktoren. Wer ins Kino gehen möchte, muss sich nach dieser Sperre noch mehreren weiteren Kontrollen stellen – das kostet Zeit und Nerven. Außerdem wirken die Sicherheit­skräfte vom Andrang überforder­t. „Die Organisati­on ist wirklich fürchterli­ch und in diesem Jahr noch schlimmer als in früheren Jahren“, schimpfte am Donnerstag eine französisc­he Journalist­in.

Barbara Schweizerh­of, epd; dpa

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Foto: Coop99Film, Festival Cowboy? Nein, Bauarbeite­r: Meinhard Neumann im deutschen Cannes Beitrag „Western“.

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