Die Frage der Woche Helmut Schmidt abhängen?
An den Aufschreien der Empörung und an der schnarrenden Aufgeregtheit der Wortmeldungen zeigt sich: Da hat der Finger in einer Kriegs-Wunde gebohrt, die noch übel eitert. Helmut Schmidt abhängen – das hat für manche die Dimension eines Sakrilegs. Als hätte man die Zugspitze geschliffen, Beckenbauer Hausverbot an der Säbener Straße erteilt oder die D-Mark nachträglich zu Falschgeld erklärt.
Gemach. Natürlich kann man sich fragen, warum erst jetzt die nicht ganz stubenreine Wehrmachtspflege in einer Bundeswehr entdeckt wurde, die es ja nun auch schon ein paar Dekaden gibt. Man hatte sich doch friedlich arrangiert mit dem verdünnten Gift. Damit, dass es so einen faulen Kompromiss der Duldung gab, für jene Wehrmachtsmänner und -traditionen, die irgendwie doch gutes Erbe gewesen sein sollen… Diese gefährlich schizophrene Aufspaltung in eine Art böse und – nun ja – im Wesen aufrichtige, aber „missbrauchte“Wehrmacht war gespenstisch. Und das nicht nur in der Rommelkaserne. Dass nun endlich das unwürdige Geeiere und widerwärtige Tarnund Versteckspiel diskutiert und aufgearbeitet wird, ist gut. Und wer den Wehrmachtsmantel des Verschweigens und Nischentolerierens wegreißen will, der muss konsequent sein. Deshalb ist es kein überzogener Bildersturm, der das Foto des Ex-Kanzlers Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform in einer Bundeswehr-Universität von der Wand gefegt hat. Sondern: eine Notwendigkeit. Eine Befreiung. Es zeigt sich, dass es genau dieses Symbols bedurft hat, um die ganze verschwurbelte, gefährliche Privatlogik offenzulegen, was nun harmlose und irgendwie „vorbildliche“Wehrmacht war und was hässliche und mörderische. Wer hier von Hexenjagd spricht, ist ein Geisterfahrer.
Es gehört zu den Rätseln dieser jungen Republik, dass Helmut Schmidt, kaum war er nicht mehr Kanzler, zu ungeahnter Popularität aufstieg, weswegen man gespannt sein darf, ob es sich bei Angela Merkel, sollte sie 2034 aus dem Amt scheiden, wenigstens umgekehrt verhält. Jedenfalls: Ein gewisses Maß an Irrationalität darf man wohl in jedem Falle unterstellen, doch ein gewisses Maß an Irrationalität – das wissen wir – ist immer mit einzukalkulieren in einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Womit wir beim Gegenteil, nämlich der Bundeswehr wären. Denn es war ja nicht etwa eine der vielen NichtraucherSekten, die in bester prohibitiver Absicht dem qualmenden Orakel aus Langenhorn den Garaus machte, sondern die Bundeswehr-Universität in Hamburg. Und zwar nicht wegen einer Menthol-Zigarette (Tabakwerbung verbieten! Alles verbieten!), sondern Opas Uniform, weil Opa, das wissen wir auch, war in der Wehrmacht. Was er da gemacht hat? Wohl nicht nur geraucht. Und dass in vielen Familien, in deren Alben ähnliche Bildchen kleben, diese Frage nie ernsthaft gestellt wurde, wirft ihren Schatten bis heute und auch in manchen Kasernenhof. Aber ausgerechnet einen Schmidt abhängen, der stets zwischen zwei Zügen und etwas manieriert von „Adolf Nazi“sprach und vor allem nie einen Hehl daraus machte, was er vom „Scheißkrieg“hält?! Das fällt dann nicht mehr nur unter Irrationalität, sondern viel schlimmer, vorauseilenden Gehorsam – und sei es gegenüber Flinten-Uschi. Wenn man so will, zeigt sich darin ein (in dieser jungen Republik hie und da immer noch anzutreffendes) Prinzip des Führerstaats, nämlich einen Willen zu exekutieren, noch bevor er überhaupt geäußert wird. Womit man das Gegenteil demonstriert von dem, was eigentlich gezeigt werden soll: Courage.